Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Diamanten von Nizza
Einer von ihnen schlug vor, das Haus dem Erdboden gleichzumachen und durch einen modernen Glaskubus zu ersetzen. Ein anderer wollte eine Dachterrassenwohnung aufstocken und das Erdgeschoss zum überdachten Schwimmbad umbauen. Und der dritte verfiel buchstäblich in Schockstarre, als Sam das Budget und die Strafklauseln erwähnte. „Was glauben Sie, wie ein Künstler unter solchen Bedingungen arbeiten soll?“, rief er und trollte sich. Am späten Nachmittag mussten Elena und Sam der Tatsache ins Gesicht sehen, dass sie keine nennenswerten Fortschritte gemacht hatten.
Als sie abends mit Reboul bei einem Glas Wein zusammensaßen, gestand Elena ihre Enttäuschung darüber, dass alle Kandidaten – und im Grunde die Mehrzahl der Architekten überhaupt – Männer waren.
„Warum gibt es nicht mehr Frauen in diesem Metier?“Sie warf Sam einen anklagenden Blick zu, als wäre es seine Schuld, gab ihm jedoch keine Chance zu antworten, bevor sie sich auf ihr Lieblingssteckenpferd schwang. „Frauen verstehen etwas von der Küche; im Gegensatz zu den meisten Männern. Frauen begreifen, dass selbst Paare, die sich innig verbunden sind, ein gewisses Maß an persönlichem Freiraum brauchen. Frauen achten auf Hygiene, Frauen haben keine Scheu, die Kosten im Rahmen zu halten. Frauen wissen die Bedeutung gut organisierter Stauräume zu schätzen. Mit anderen Worten, sie sind tausendmal praktischer veranlagt. Und dazu kommt, sie lassen sich bei ihrer Arbeit nicht von ihrem Ego behindern.“
Während Reboul aufmerksam zuhörte, konnte er nicht umhin, sich an ein paar architektonische Ausrutscher zu erinnern, die ihm im Zuge der Renovierung von Le Pharo unterlaufen waren – Fehler, die eine Frau nicht gemacht hätte: vor allem das Fehlen eines Kleiderschranks in Zimmerhöhe und einer Dusche von der Größe einer gigantischen Tiefkühltruhe. Er seufzte, als er zu der naheliegenden Schlussfolgerung gelangte.
„Mir ist gerade eingefallen, dass euch Coco Dumas’ Renovierungsarbeiten an Tommy Van Burens Haus gefallen haben. Würdet ihr in Erwägung ziehen, ihr den Auftrag zu erteilen?“
Elena streckte die Hand aus und drückte Rebouls Arm. „Nie im Leben, wenn es ein Problem für Sie wäre.“
„Ich kann ihr immer aus dem Weg gehen. Aber im Ernst, sie ist sehr professionell, es gäbe keine Sprachschwierigkeiten und ihre Geschlechtszugehörigkeit entspricht auch Ihren Vorstellungen, meine liebe Elena. Ich würde Sie lediglich darum bitten, sie von Le Pharo fernzuhalten.“– Elena beugte sich vor und küsste Reboul auf die Wange. „Abgemacht.“
Sam war inzwischen an Elenas Entschlossenheit gewöhnt, sich in puncto Kleidung nicht von den französischen Frauen in den Schatten stellen zu lassen. Aus dem Schlafzimmer verbannt, machte er es sich im Wohnzimmer nebenan bequem, um auf ihr Erscheinen zu warten. Sie wollten nach Nizza fahren, um sich dort mit Coco Dumas in ihrem Büro zu treffen, und Elena hatte ihm mehr als einmal erklärt, dass eine starke Signalwirkung von ihrem äußeren Erscheinungsbild ausging. Französische Frauen nähmen diese Dinge ernst; sie wären völlig offen, wenn es galt, die Garderobe einer anderen Frau in Augenschein zu nehmen und sie, wenn die Begutachtung positiv ausfiel, als Gleichgestellte zu behandeln, die ihren Respekt verdiene.
„Nun, was sagst du?“Elena stand auf der Schlafzimmerschwelle, vom Türrahmen dekorativ in Szene gesetzt. (Fortsetzung folgt)