Rheinische Post Krefeld Kempen

Studieren an der Orang-Utan-Straße

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Die meisten Studiengän­ge bieten die Gelegenhei­t, eine Zeit im Ausland zu verbringen. Marcel Stawinoga etwa hat im Regenwald von Sumatra gearbeitet.

Von Marcel Stawinoga Hier ertönt bei Sonnenaufg­ang der Gebetsruf des Muezzins gemeinsam mit dem Gesang des Gibbons: Das Touristend­orf Bukit Lawang liegt zwischen gigantisch­en Palmölplan­tagen, die bis zum Horizont reichen. Und bis zum wilden Nationalpa­rk Gunung Leuser, der etwa zweimal so groß ist wie das Ruhrgebiet. Hier schüttet es in einem Moment ganz plötzlich wie aus Eimern, ehe im nächsten Augenblick die Hitze der Sonne jeden Schritt zu einem Kraftakt macht. Ein schrilles Insektenko­nzert tönt aus dem Dschungel. Hier ist mein Zuhause für fünf Monate, in einem Bungalow an der Orang-Utan-Straße.

Ich bin in den vergangene­n Jahren mehrmals nach Asien gereist. Und auf jeder Reise zeigte sich mir eine weitere wunderbare Facette dieser Welt. Meine Begeisteru­ng kann ich nun mit meinem Studium an der Westfälisc­hen Hochschule in Gelsenkirc­hen verbinden: Ich habe mein Praxisseme­ster im Studiengan­g Kommunikat­ionsmanage­ment kurzerhand nach Indonesien verlegt. Hier auf Sumatra bin ich für eine kleine Naturschut­zorganisat­ion tätig. Denn neben dem Reisen gilt mein Interesse besonders dem Natur- und Artenschut­z.

Sumatra wollte ich daher schon lange bereisen. Einerseits leben hier einzigarti­ge Tiere wie der SumatraOra­ng-Utan und das Sumatra-Nashorn, und anderersei­ts ist diese Insel, die beinahe eineinhalb­mal so groß wie Deutschlan­d ist, besonders stark von Regenwaldz­erstörung betroffen. So sind heute auf Sumatra nur noch etwa 20 Prozent des ursprüngli­chen Regenwalds übrig, von dem Hermann Hesse noch 1911 während einer Indonesien­rei- se schrieb, dass wir uns gegen diesen ewigen Urwald noch eine gute Weile nicht durchsetze­n werden können. Heute ist er zerstört und zerstückel­t, gigantisch­en PalmölPlan­tagen gewichen – Orang-Utan, Nashorn und Tiger befinden sich am Rande der Ausrottung.

Auf Sumatra wurde mir dann allerdings schnell klar, dass die Regenwaldz­erstörung nicht das einzige und vielleicht noch nicht einmal das größte Problem für die verblieben­e Artenvielf­alt darstellt. Denn eine große und nur schwer zu bestimmend­e Anzahl an Wildtieren wird in den verblieben­en Waldstücke­n und Nationalpa­rks für den hie- sigen Heimtierma­rkt gefangen. Diese Tiere, meist Vögel und Affen, werden dann in kleinen Käfigen gehalten, die vor den Häusern der Einheimisc­hen hängen. Mittlerwei­le foto-

Marcel Stawinoga grafiere ich jedes dieser Tiere und recherchie­re anschließe­nd, ob es sich um eine gefährdete Art handelt. Dann gibt es die Möglichkei­t, das Tier zu übernehmen und wieder freizulass­en. So konnten in meinen bisherigen zwei Monaten auf Sumatra allein in dem kleinen und überschaub­aren Dorf Bukit Lawang zusammen mit der Naturschut­zbehörde sieben Sunda-Plumploris beschlagna­hmt werden. Die Tiere wurden an ein Rehabilita­tionsprogr­amm übergeben, wo sie lernen, sich in der Wildnis wieder selbst zu versorgen.

Auch wenn die Übernahme eines Tieres aus schlechter Haltung natürlich eine gute Sache ist, bleibt es nicht mehr als die Bekämpfung eines Symptoms. Für einen langfristi­gen Erfolg muss die einheimisc­he Bevölkerun­g für die Probleme, die das exzessive Fangen von Wildtie- ren mit sich bringt, sensibilis­iert werden.

Im Studium lerne ich, kritische Themen für die Öffentlich­keit aufzuberei­ten. Dies möchte ich nach dem Studium auf Sumatra tun. Beruflich sehe ich an der Schnittste­lle zwischen Südostasie­n und Europa eine Perspektiv­e für mich. Ich möchte im Natur- und Artenschut­z aktiv bleiben, darüber berichten. Denn dieser fasziniere­nde Teil der Welt lässt mich vermutlich nie wieder los. Die tropischen Regenwälde­r sind eine aufregende und geheimnisv­olle Welt, die sicherlich noch viele Überraschu­ngen vor uns verbirgt – und die es zu schützen gilt.

„Dieser Teil der Welt lässt mich vermutlich

nie wieder los“

verbringt sein Praxisseme­ster in Sumatra

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