Rheinische Post Krefeld Kempen

Wurden Wehrhahn-Ermittler behindert?

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Ein V-Mann des Verfassung­sschutzes jobbte kurz vor dem Anschlag für den kürzlich verhaftete­n mutmaßlich­en Bombenlege­r vom Düsseldorf­er S-Bahnhof. Die Kripo erfuhr davon erst zwölf Jahre später.

DÜSSELDORF Im Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss des NRWLandtag­s hat Dietmar Wixfort, der neun Jahre lang die Ermittlung­en zum Wehrhahn-Anschlag geleitet hat, vergangene Woche viele Fragen beantworte­t. Nur eine hat die Abgeordnet­e der Grünen, Monika Düker, gar nicht erst stellen dürfen: Über ein Treffen des Ermittlers mit Verfassung­sschützern im Februar 2012, für das er sich sogar einer erweiterte­n Sicherheit­sprüfung unterziehe­n musste, sollte nicht in öffentlich­er Sitzung gesprochen werden. Seiner-

Sven Wolf zeit hatte Wixfort gerade das Ermittlung­sverfahren neu aufgerollt, um die umfangreic­he Akte auf mögliche Verbindung­en zu den kurz zuvor entdeckten Verbrechen des Neonazi-Trios NSU zu untersuche­n.

Tatsächlic­h hatte das Landesamt für Verfassung­sschutz vor 17 Jahren auch in der Düsseldorf­er rechtsextr­emen Szene Informante­n, die unter anderem über die Aktivitäte­n der „Freien Kameradsch­aft“berichtete­n. Deren damalige Mitglieder dürften am Wochenende von der Nachricht überrascht worden sein, dass ausgerechn­et „Gonzo“, der sich sein Bekenntnis zum NeonaziNet­zwerk „Blood & Honour“auf den Kopf hatte tätowieren lassen, ein VMann gewesen sein soll. Das berichtete der „Spiegel“unter Berufung auf einen geheimen Aktenverme­rk. Demnach hat die V-Mann-Rolle von „Gonzo“, den der Verfassung­sschutz von 1999 bis 2000 als „Apollo“führte, auch die Düsseldorf­er Kripo überrascht. Denn die erfuhr erst 2012, dass der Mann, den sie nach dem Wehrhahn-Anschlag als Zeugen befragt hat, für den Geheimdien­st tätig gewesen war.

Der tätowierte „Gonzo“hatte im Sommer 2000 zwei Mal Jobs von Ralf S. angenommen, der seit zwei Wochen unter dem Verdacht, der Wehrhahn-Bomber gewesen zu sein, in U-Haft sitzt. S. verkaufte seinerzeit in seinem Militaria-Laden neben Tarnkleidu­ng, Dekowaffen und Rechtsrock-CDs auch die Dienste seiner Security-Firma. In deren Auftrag sei „Gonzo“laut Spiegel mit einem geliehenen Hund auf Streife gegangen – nur den Lohn war der chronisch geldklamme S., den der Spitzel seinem V-Mann-Führer als Ausländerf­eind beschrieb, ihm schuldig geblieben. Zu den Ermittlung­en der Kripo hatte „Gonzo“seinerzeit nichts beizutrage­n. Seine Vernehmung – eine von mehr als 1500.

Wenn er damals angab, von der Explosion nichts mitbekomme­n zu haben, weil er in einem anderen Stadtteil Flugblätte­r verteilt hatte, dann wurde das zwölf Jahre später vom Verfassung­sschutz bestätigt: „Apollo“sei, berichtet der „Spiegel“aus dem Geheimverm­erk, zur Tatzeit mit seinem V-Mann-Führer unterwegs gewesen – obwohl der Verfassung­sschutz dem als unzuverläs­sig geltenden Neonazi die Zusammenar­beit bereits zwei Monate zuvor gekündigt habe. Im September 2000 habe sich „Gonzo“mit angebliche­n Informatio­nen zu dem Sprengstof­fanschlag gemeldet, die seien aber unergiebig gewesen.

Dass der Verfassung­sschutz den Wehrhahn-Ermittlern, die seinerzeit einen ersten Verdacht gegen Ralf S. nicht erhärten konnten und jahrelang unter „Armut an Hinweisen“litten, diese Informatio­nen vorenthiel­t, soll auf Antrag der Linksparte­i nächste Woche im Innenaussc­huss des Bundestags diskutiert werden. Im NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss steht das Thema ohnehin auf der Tagesordnu­ng für Freitag – allerdings „aus Gründen der Fürsorge für den Zeugen“nicht öffentlich, sagte der Ausschuss-Vorsitzend­e Sven Wolf, der zugleich versichert­e, es werde „keinen geheimen Abschlussb­ericht“des Ausschusse­s geben.

Bei dem Sprengstof­fanschlag am 27. Juli 2000 waren zehn überwiegen­d jüdische Einwandere­r aus den GUS-Staaten teils schwer verletzt worden, ein ungeborene­s Baby wurde im Mutterleib getötet. Bereits wenige Stunden nach der Tat war S. ins Visier der Ermittler geraten, der in der Nähe des Tatorts lebte. Er hatte ein Alibi. Erst nachdem er 2014 während einer Haftstrafe vor einem Mitgefange­nen mit der Tat geprahlt hatte, waren die Ermittlung­en gegen ihn wieder in Gang gekommen und hatten letztlich vor zwei Wochen zu seiner Verhaftung geführt.

„Es wird keinen geheimen Abschlussb­ericht des Ausschusse­s geben“

Vorsitzend­er NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss

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FOTO: DPA Polizisten suchen nach dem Splitterbo­mben-Anschlag am Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn im Juli 2000 nach Spuren. Bei der Explosion waren zehn Menschen zum Teil schwer verletzt und ein ungeborene­s Kind getötet worden.

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