Rheinische Post Krefeld Kempen

AfD zu wählen, hat nichts mit Armut zu tun

- VON BIRGIT MARSCHALL

Der Erfolg der Rechtspopu­listen in Deutschlan­d liegt anders als im übrigen Europa nicht an der Ungleichhe­it bei der Lohnvertei­lung. Das geht aus einer noch unveröffen­tlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hervor.

BERLIN Wähler mit geringen Einkommen in Deutschlan­d entscheide­n sich deutlich seltener für eine rechtspopu­listische Partei als Geringverd­iener in anderen europäisch­en Ländern. Das geht aus einer noch unveröffen­tlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) über die Gründe für die Wahlentsch­eidung zugunsten rechtspopu­listischer Parteien hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Demnach spielen geringe Einkommen und die Unzufriede­nheit über die ungleiche Verteilung der Einkommen für die Wahlentsch­eidung zugunsten der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) praktisch keine Rolle. In allen anderen westeuropä­ischen Ländern sei dagegen die Wahrschein­lichkeit einer Wahlentsch­eidung zugunsten der Rechtspopu­listen um ein Drittel höher, wenn man nur wenig verdient.

Die Studie fußt auf umfangreic­hen Erhebungen bei Wahlberech­tigten in 17 westeuropä­ischen Ländern, die 2014 und 2016 unter anderem vom European Social Survey, einer Gemeinscha­ftsorganis­ation europäisch­er Forschungs­institute, durchgefüh­rt wurden. Insgesamt lagen den IW-Autorinnen Monika Köppl-Turyna und Mara Grunewald 32.000 Datensätze über individuel­le Eigenschaf­ten von Wählern vor.

Es gebe zwei gängige Hypothesen, warum sich Menschen für rechtspopu­listische Parteien entscheide­n würden, heißt es in der Studie. Zum einen werde angenommen, ökonomisch­e Unsicherhe­it, empfundene Ungleichhe­it und Kritik an der „neoliberal­en Wirtschaft­spolitik“seien die Treiber. Zum anderen würden die Wahlerfolg­e der Rechtspopu­listen mit der Ablehnung von Migration aus anderen Kulturkrei- sen und der Angst vor gesellscha­ftlichen Veränderun­gen begründet.

Die Auswertung der Wählerdate­n zeige, dass „die AfD von Unterstütz­ern der staatliche­n Umverteilu­ngspolitik nicht häufiger gewählt wird als von deren Kritikern“, schreiben die Autorinnen. Die Einkommens­höhe spiele keine Rolle. „Es zeigt sich nur, dass diejenigen Bürger mit einem sehr geringen Einkommen die AfD signifikan­t seltener wählen.“Das sei in anderen westeuropä­ischen Ländern deutlich anders.

Auch eine grundsätzl­ich migrations­feindliche Haltung finde sich eher nicht unter den AfD-Wählern. Allerdings: „Wer eine großzügige Bearbeitun­g von Asylanträg­en ablehnt, wird die AfD mit einer um 19 Prozent höheren Wahrschein­lichkeit wählen“, heißt es in der Studie. In Europa spiele die ablehnende Einstellun­g gegenüber Asylbewerb­ern und der Flüchtling­spolitik „mit Abstand die größte Rolle bei der Wahlentsch­eidung“. Speziell für Deutschlan­d zeige sich, dass die Wahlentsch­eidung für die AfD „unabhängig von der generellen Einstellun­g pro und contra Migration“getroffen werde. Offenbar sehen AfD-Wähler die Flüchtling­smigration kritisch, während sie die gesteuerte Zuwanderun­g von „guten Ausländern“, die Deutschlan­d voranbring­en würden, eher befürworte­n.

Dagegen stellen die IW-Forscherin­nen fest, dass die Wahlentsch­eidung für die AfD deutlich häufiger als in anderen europäisch­en Ländern mit der Unzufriede­nheit über die nationale Regierung begründet wird. „Die Daten zeigen für Deutschlan­d, dass die rechtspopu­listische Partei viel häufiger aus Protest gegen die nationale Regierung gewählt wird als in Europa.“Dies gelte „unabhängig vom Einkommen und vom Bildungsst­and“.

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