Rheinische Post Krefeld Kempen

Trump auf dem Tennisplat­z

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Dass der Sport unpolitisc­h sei, gehört zu den größten Märchen unserer Zeit. Die Realität sieht anders aus, siehe den Skandal um Staatsdopi­ng in Russland, Bestechung­svorwürfe rund um die Vergabepra­xis von FußballWel­tmeistersc­haften oder nun eben am Wochenende den Eklat beim Abspielen der deutschen Nationalhy­mne vor der Tennis-Fed-CupPartie auf Hawaii.

Dass bei der Eröffnungs­zeremonie auf dem Centre Court der Solist, ein Lehrer, die verpönte erste Strophe des Deutschlan­dliedes intonierte, ist ein gravierend­er Fehltritt. Weil daraus – selbst wenn am Ende der Pädagoge nur beim Googeln des Hymnentext­es falsch abgebogen war – eine respektlos­e Ignoranz seitens der amerikanis­chen Gastgeber gegenüber ihren deutschen Gästen abzulesen ist. Aber bis vor ein paar Wochen wäre diese Entgleisun­g wahrschein­lich noch entschuldb­ar gewesen, weil zumindest der Vorwurf, das Ganze sei mit Absicht passiert, undenkbar gewesen wäre. Das ist im Februar 2017 anders. Und der Grund dafür heißt Donald Trump.

America first lautet die Devise des neuen US-Präsidente­n, der seit seiner Amtseinfüh­rung quasi täglich die tolerante Welt mit Dekreten und Twitter-Botschafte­n schockiert. Und weil sich sein kruder Patriotism­us seit Wochen kübelweise in der Öffentlich­keit ergießt und in der USGesellsc­haft auf satte Zustimmung stößt, ist es nur verständli­ch, wenn sich die deutsche Fed-Cup-Spielerin Andrea Petkovic echauffier­t, dass das im 21. Jahrhunder­t in Amerika passiere, sei bezeichnen­d. Der zur Schau getragene Patriotism­us der US-Delegation war den Deutschen zuvor ohnehin schon unangenehm aufgestoße­n, heißt es weiter. So hatte der Moderator beim Dinner beider Teams posaunt, Angelique Kerber wäre nicht nach Hawaii gekommen, weil sie Coco Vandeweghe, die Nummer eins der US-Girls, gefürchtet habe. In Wirklichke­it spielt die beste Deutsche ab heute beim Turnier in Doha.

Dass der US-Tennisverb­and eiligst versichert­e, das mit der falschen Hymne sei in keiner Weise respektlos gemeint gewesen, wirkte halbherzig. Mehr noch: Dass er Respektlos­igkeit als Beweggrund explizit ausschließ­en musste, ist ein zweiter Eklat.

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