Rheinische Post Krefeld Kempen

BVB zeigt sein schwaches Liga-Gesicht

- VON ULRIKE JOHN UND STEPHAN KÖHNLEIN FOTO: DPA

Vor dem wichtigen Champions-League-Spiel gegen Benfica Lissabon präsentier­t sich Dortmund desolat.

DARMSTADT (dpa) Auf der großen Bühne zelebriert Borussia Dortmund schon mal seinen Hochbegabt­en-Fußball. Auf dem Hinterhof der Bundesliga aber hat sich der BVB wieder blutige Knie geholt. Mit dem blamablen 1:2 (1:1) bei Schlusslic­ht SV Darmstadt 98 hat der Vizemeiste­r die Generalpro­be für das Achtelfina­l-Hinspiel der Champions League bei Benfica Lissabon völlig verhauen. Thomas Tuchel wirkt allmählich etwas hilflos mit seinen Scheinwerf­er-Spielern. Der Trainer fühlte sich bestätigt für seine Aussagen vor diesem „Motivation­sspiel“: „Dass wir nur dann an unser Leistungso­ptimum kommen, wenn die Ausgangsla­ge fifty-fifty ist.“Seine Mannschaft sei „gnadenlos durchgefal­len“.

Am Samstag war dem Trainer seine Mannschaft wieder mal entglitten. Und irgendwie weiß der 43-Jährige auch nicht so recht, wie er sie wieder in den Griff bekommen soll. Für ihn ist das allerdings eher eine Frage der Perspektiv­e. „Ich plädiere seit Monaten dafür, seit Beginn der Saison dafür, vielleicht auch einzugeste­hen: Dass genau das wir sind. Und nicht immer davon zu reden: Wie kann denn jetzt das sein?“, sagte Tuchel fast schon resigniert. „Vielleicht ist das dieses Jahr einfach so. Vielleicht muss einfach mal da ein Umdenken stattfinde­n.“

Nur in der Königsklas­se, bei K.o.Spielen wie im DFB-Pokal oder in Spitzenbeg­egnungen wie zuletzt gegen RB Leipzig sei seine Mannschaft in der Lage, „alle Sinne zu schärfen“. Spiele in Darmstadt aber liefen „unterm Radar“.

Die Denkweise der Profis bestätigte indirekt Roman Bürki. Der Torhüter wunderte sich einerseits darüber, dass er so viele Bälle aufs Tor bekommen hatte. Anderersei­ts sagte der Schweizer vor der Herausford­erung morgen (20.45 Uhr/Sky) in Portugal im Brustton der Überzeu- gung: „Das wird ein komplett anderes Spiel. Alleine mit der Hymne der Champions League ist das natürlich etwas anderes.“Am altmodisch­en Böllenfall­tor ertönte nur das fröhliche „Lilien“-Vereinslie­d „Die Sonne scheint“: Mit einem glanzvoll inszeniert­en Champions-League-Abend unter Flutlicht hatte die Partie ziemlich wenig zu tun. Dementspre- chend wenig inspiriert ging die Borussia zu Werke.

Vor 17.400 Zuschauern im ausverkauf­ten Stadion fiel auch kaum auf, dass die Gäste mit dem derzeit erfolgreic­hsten Torschütze­n der Liga angereist war: Pierre-Emerick Aubameyang tauchte unter – wie viele in seinem Team. „Darmstadt hatte extrem viele Chancen. Dabei spie- len die nur mit langen Bällen“, staunte Marco Reus. Für die ungewohnt und ungestört stürmische­n „Lilien“traf zunächst der Ex-Leipziger Terrence Boyd (21. Minute). Raphael Guerreiro gelang zwar der Ausgleich (44.), doch Joker Antonio Colak erzielte den verdienten Siegtreffe­r (67.). „Keine Ahnung, woran das liegt und was die Schlussfol­ge- rung ist“, sagte Tuchel. Auf kritische Fragen nach seiner Aufstellun­g reagierte der BVB-Coach dünnhäutig. Gegenüber dem Pokalsieg gegen Hertha BSC hatte er sein Team auf vier Positionen verändert. Unter anderem fehlten die angeschlag­enen Mario Götze, Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer. Ousmane Dembélé saß zunächst ebenso wie André Schürrle nur auf der Bank. In der Startelf stand dafür Teilzeitar­beiter Emre Mor, der 18-jährige Dzenis Burnic gab sein Erstliga-Debüt. Dembélé sei wegen eines Trauerfall­s in der Familie direkt aus Frankreich gekommen, so Tuchel.

Auch Burnic nahm er in Schutz. „Ich verbiete ihnen, diese beiden Namen mit der Niederlage in Verbindung zu bringen“, sagte er in der Pressekonf­erenz zu Journalist­en. Das wäre geradezu „niederträc­htig“.

Dortmund wirkte jedenfalls so, als schone sich die Mannschaft für die kommende Aufgabe auf europäisch­em Parkett. „Ich hatte nie das Gefühl von außen, dass wir in diesem Spiel angekommen sind“, räumte Tuchel ein. „Wir tun uns extrem schwer, das anzunehmen, was Leistungss­port wirklich ausmacht: Auch in diesen Spielen ohne große Bühne, ohne große Scheinwerf­er diese Schärfe zu zeigen.“

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Nach der Niederlage: Hängende Köpfe und Ratlosigke­it bei den Dortmunder Spielern.

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