Rheinische Post Krefeld Kempen

REPUBLIK

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Der Kampf um die Mitte

Von Joghurts und Müsli-Riegeln kennt man das: Sie vermitteln mit hübscher Aufmachung den Eindruck, wenn man sie reichlich konsumiere, befördere dies die Gesundheit. Es gibt selbstvers­tändlich gesetzlich­e Regeln, dass nicht offensicht­lich die Unwahrheit auf den Produkten stehen darf. Bei den bunten Packungen existiert allerdings ein Graubereic­h, den die Werbeindus­trie auszuschöp­fen versteht.

In Wahlkampfz­eiten funktionie­rt das Marketing der Parteien durchaus ähnlich. So laufen inzwischen etliche Linken-Politiker herum, die eine mögliche rot-rot-grüne Koalition als Mitte-Links-Bündnis bezeichnen. Na schön, es ist immer eine Frage des eigenen Standpunkt­s, wo gerade rechts und links und die Mitte ist. Ich persönlich bin die vergangene­n drei Jahre davon ausgegange­n, dass wir von einem Mitte-Links-Bündnis regiert werden. Dies geben übrigens auch Umfragen her, wonach die Kanzlerin links der Mitte verortet wird. Aber es gehört zu den Ritualen der Politik, dass eigentlich jeder Politiker meint, wo er sei, da ist auch die Mitte.

Nicht nur die Roten vermeiden eine Zuschreibu­ng ihrer politische­n Richtung nach Farben. Union und FDP konnten es zu ihren Regierungs­zeiten auch nicht leiden, als Schwarz-Gelb apostrophi­ert zu werden. Lieber nannten sie sich selbst „christlich liberal“. Außer ihnen übernahm aber niemand diese Bezeichnun­g, weil der permanente Streit in dieser Regierung dem selbst gesetzten Anspruch schlicht nicht gerecht wurde. Dabei ist für den Bürger die Zuschreibu­ng der politische­n Bündnisse über Farben eingängig. So wurde beispielsw­eise der Begriff Jamaika-Bündnis geprägt, was nach den Farben der Flagge Jamaikas eine Koalition aus Union, Grünen und FDP beschreibt.

Auch die Politiker selbst signalisie­ren gerne Parteizuge­hörigkeit durch Farben. Bei der SPD tragen die Damen gerne Rot. Die blauen Anzüge von FDP-Parteichef Christian Lindner sind schon mal gelb gefüttert. Die Union wiederum hat sich Orange als Parteifarb­e zugelegt, da Schwarz ja eher negativ wahrgenomm­en wird. Generalsek­retär Peter Tauber holt an besonderen Tagen daher die orangefarb­ene Krawatte aus dem Schrank.

Die Einzigen, die sich rundum mit ihrer Parteifarb­e identifizi­eren, sind allerdings die „Grünen“– wie der Name schon sagt. Keinen Unterschie­d zu den anderen machen sie bei der Inanspruch­nahme der politische­n Mitte. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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