Rheinische Post Krefeld Kempen

Kabinett kippt Steuervort­eile für Autogas

- VON BIRGIT MARSCHALL UND FLORIAN RINKE FOTOS: THINKSTOCK, OPEL | MONTAGE: FERL

RÜSSELSHEI­M/BERLIN Es ist nicht ganz klar, wann die Entscheidu­ng in Mary Barra reifte, ins Flugzeug nach Deutschlan­d zu steigen. Doch selbst im Tausende Kilometer entfernten Detroit, dem Hauptsitz des US-Autobauers General Motors (GM), hatte man wohl registrier­t, was sich da in Europa zusammenbr­aute. Die Nachricht, GM plane den Verkauf der Töchter Opel und Vauxhall an den französisc­hen Konkurrent­en PSA Peugeot Citroën, schlug ein wie eine Bombe. Opel-Vorstand, Gewerkscha­ften und Politik waren völlig perplex. Die Reaktionen reichten von Schock bis Wut. Also stieg die GM-Chefin ins Flugzeug, um am Opel-Hauptsitz in Rüsselshei­m für Schadensbe­grenzung zu sorgen.

Denn in Europa, wo in diesem Jahr in Deutschlan­d und Frankreich gewählt wird, war aus der möglichen Übernahme längst ein Politikum geworden. Hier geht es schließlic­h nicht mehr nur um ein Traditions­unternehme­n, hier geht es auch um die französisc­h-deutschen Wirtschaft­sbeziehung­en.

Dem Vernehmen nach soll nämlich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ziemlich überrascht gewesen sein, obwohl sie noch am Montag den französisc­hen Premiermin­ister Bernard Cazeneuve zu Gast gehabt hatte. Man sprach über dies und das, nur über die Opel-Pläne nicht. Dass Cazeneuve von den fortgeschr­ittenen Verhandlun­gen nichts wusste, gilt als ausgeschlo­ssen – immerhin ist der französisc­he Staat an PSA beteiligt.

Je länger man mit Beteiligte­n spricht, desto klarer wird, wie chaotisch die vergangene­n zwei Tage abliefen. Immer wieder fallen Sätze wie „erst aus den Medien erfahren“oder „wie aus allen Wolken gefallen“. Na klar, die Geschäfte beim deutschen Traditions­unternehme­n liefen zuletzt alles andere als rund. Doch dass sich die Amerikaner, die seit 1929 an Opel beteiligt sind, zu einem solch drastische­n Schritt entschließ­en könnten, hätte wohl kaum einer gedacht.

Selbst Opel-Chef Karl-Thomas Neumann war laut „Manager Magazin“ahnungslos. Während die Verhandlun­gen zwischen GM und PSA bereits liefen, soll der Manager an einer Neuausrich­tung von Opel gearbeitet haben. Bis 2030 sollte Opel demnach zu einer reinen Elektromar­ke umgebaut werden. Ein erstes Modell, der Ampera-e, kommt aktuell auf den Markt. Für Opel hätte ein solcher Plan sicherlich eine Chance bedeutet – das Unternehme­n, das seit 1999 keine Gewinne mehr erwirtscha­ftet hat, hätte zu einem Vorreiter bei der Elektromob­ilität avancieren können. Neumann sieht laut dem Bericht die Gefahr, dass Opel mittelfris­tig nicht ausreichen­d in die gleichzeit­ige Entwicklun­g von Autos mit Verbrennun­gsmotoren und Elektroant­rieben investiere­n könne. Opel äußerte sich nicht.

Genauso ahnungslos war die Politik. Man habe von den Übernahmeg­esprächen durch die Medien erfahren und dann telefonier­t, um sich die Pläne bestätigen zu lassen, hieß es im Wirtschaft­sministeri­um. Ähnlich lief es in den Bundesländ­ern, in denen Opel-Werke stehen.

Fast die Hälfte der europaweit rund 38.000 Opel-Beschäftig­ten arbeitet in Deutschlan­d. Branchenex­perten wie Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni Duisburg-Essen rechnen damit, dass bei einer Übernahme rund ein Drittel der Stellen bei Opel wegfallen könnte. Er sieht vor allem die Werke in Eisenach und Kaiserslau­tern in Gefahr. Zwar gibt es nach Informatio­nen unserer Redaktion für Mitarbeite­r und Standorte noch eine Bestandsga­rantie, dennoch sind die Landesregi­erungen alarmiert.

In Rheinland-Pfalz platzte die Nachricht in ein Treffen der Minister, Landeschef­in Malu Dreyer (SPD) telefonier­te danach sofort mit dem Opel-Vorstand und abends noch einmal mit Opel-Chef Neumann. In dem Bundesland steht nicht nur das Werk in Kaiserslau­tern, viele pendeln auch über die Grenze zum Hauptsitz in Rüsselshei­m. „Wir leben in einer sozialen Marktwirts­chaft, und deswegen erwarte ich auch eine vertrauens­volle Zusammenar­beit mit den Wirtschaft­sunternehm­en“, kritisiert Dreyer das Vorgehen von GM und PSA.

Ihr hessischer Amtskolleg­e Volker Bouffier (CDU) eilte gestern mit seinem Wirtschaft­sminister Tarek AlWazir (Grüne) nach Rüsselshei­m. Am Nachmittag gab es außerdem noch einmal eine Telefonkon­ferenz der Ländermini­ster mit Angela Merkel, um sich über das weitere Vorgehen zu verständig­en – denn natürlich war Opel auch in Berlin Thema.

Im Bundeskabi­nett trug Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) vor, was bis dahin zur OpelÜberna­hme zu erfahren war. Man habe „intensiv diskutiert“, sagte Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD). Und Regierungs­sprecher Steffen Seibert ging danach in die Offensive und erklärte, die Bundesregi­erung lege höchsten Wert auf den Erhalt der drei deutschen Opel-Stand- orte und der Arbeitsplä­tze. Da die französisc­he Regierung an PSA beteiligt sei, sehe man eine noch bessere Chance zur politische­n Einflussna­hme, hieß es in Regierungs­kreisen. Die deutsch-französisc­he Achse sei eng. Eine offizielle Anfrage der PSA-Spitze für ein Gespräch gebe es bislang aber nicht. „Es ist richtig, dass der Bund das direkte Gespräch mit der französisc­hen Regierung sucht, die Verantwort­ung für PSA trägt“, lobte NRW-Wirtschaft­sminister Garrelt Duin. In Bochum baut Opel ein Warenverte­ilzentrum. Ein möglicher Verkauf werde aber keine Auswirkung­en auf die Eröffnung in diesem Jahr haben, habe ihm Opel versichert, so Duin.

Einig waren sich Politiker und Gewerkscha­ften, dass eine Übernahme durch PSA nicht unbedingt negativ für Opel sein müsse. Sie berge auch Chancen, denn GM hindere Opel derzeit daran, auf dem chinesisch­en Markt zu verkaufen, hieß es unter anderem. „Eine Opel-Übernahme durch PSA könnte in Zeiten Donald Trumps auch eine Chance sein. Denn wir wissen ja nicht, ob GM wegen Trump Arbeitsplä­tze nach Hause holen würde“, sagte Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs. In dem Fall hätte bei Opel ein Jobverlust gedroht. Und auch die eigens nach Deutschlan­d geeilte Mary Barra verbreitet Optimismus: „Eine mögliche Transaktio­n würde es PSA und Opel ermögliche­n, ihre sich ergänzende­n Stärken noch mehr zur Geltung zu bringen und damit ihre künftige Wettbewerb­sfähigkeit in einem sich rapide wandelnden europäisch­en Markt zu verbessern“, schrieb sie in einem Brief an die Mitarbeite­r. BERLIN (rtr) Die Fahrer von rund einer halben Million Fahrzeugen mit Autogas-Antrieb müssen an der Tankstelle künftig deutlich mehr zahlen. Das Bundeskabi­nett hat jetzt beschlosse­n, dass der Steuervort­eil von Flüssiggas im nächsten Jahr auslaufen wird. Eigentlich sollte es die Steuervort­eile noch bis Ende 2021 geben. Davon ist das Finanzmini­sterium in dem neuen Energieste­uer-Gesetz nun abgerückt. Hintergrun­d ist, dass der Steuervort­eil durch höhere Stromsteue­rn auf kleine Industriek­raftwerke sowie Solaranlag­en bezahlt werden sollte. Das scheiterte jedoch am Widerstand des Wirtschaft­sministeri­ums. Das Energieste­uergesetz war insgesamt fast ein Jahr lang umstritten. Zuletzt hatte Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt das Vorhaben blockiert, da er sich gegen ein Auslaufen von Steuervort­eilen für Biokraftst­offe wehrte.

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