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Wie „Moonlight“alle Düsternis vermeidet
Land“trotz des verpfuschten Finales rechnerisch der Gewinner des Abends. Der Film, der das MusicalGenre mit gekonnter Leichtigkeit neu beschwingt, war in 14 Kategorien nominiert, bekam am Ende sechs Oscars, darunter in wichtigen Kategorien wie Regie, Musik, Kamera und beste Hauptdarstellerin: charmant nahm Emma Stone ihre Trophäe entgegen. Bester Hauptdarsteller wird Casey Affleck für sein bewegend-verschlossenes Spiel in „Manchester by the Sea“. Doch vor allem hat die Academy afroamerikanische Themen und Darsteller bedacht. Nachdem im vergangenen Jahr heftig über die zu „weiße Auswahl“des Gremiums diskutiert wurde, bekam die Academy 700 neue Mitglieder mit diversem kulturellen Hintergrund. Das scheint Wirkung zu zeigen. Eine Doku über den Mordprozess gegen O.J. Simpson zählt zu den Siegern. Das wuchtige Drama „Moonlight“, in dem keine einzige Rolle von Weißen gespielt wird, wurde nicht nur bester Film, es gab auch Oscars für Mahershala Ali als Nebendarsteller und für das beste adaptierte Drehbuch. So war das afroamerikanische Hollywood in dieser Gala-Nacht stark vertreten. Kein lautes Signal, aber ein sichtbares. LOS ANGELES (dpa) Die Geschichte von Barry Jenkins ist eine der ungewöhnlichsten in dieser OscarNacht: Ein 37-jähriger Afroamerikaner gewinnt mit seinem zweiten Film die Herzen Hollywoods, weil er mit schmalem Budget tolle Bilder für eine poetische Geschichte über die Einsamkeit findet.
„Moonlight“, mit dem Oscar in der Königskategorie Bester Film ausgezeichnet, erzählt in mehreren Etappen vom Heranwachsen eines schwulen Schwarzen in der Drogenszene Miamis. Die Mutter ist alkoholkrank, und lange ist niemand in Sicht, dem sich dieser Chiron anvertrauen kann. Obwohl sich das schwermütig liest, fühlt sich der Film dank exzellenter Schauspieler und einer poetischen Grundstimmung in tollen Cinemascope-Bildern nie düster an.
Der 37-jährige Jenkins erzählte im Interview des „Hollywood Reporter“, dass er selbst nie an der Geschichte gezweifelt habe – dafür sei sie zu eng mit seiner eigenen Jugend verknüpft. „Es war wie eine extrem anstrengende Therapie. Für mich ist das nicht nur ein Film gewesen.“Jenkins’ Mutter, die ihre Alkoholsucht inzwischen im Griff hat, wollte den Film aus Angst vor dessen emotionaler Wucht nicht sehen. Sie hatte ihren Sohn im Liberty Square Viertel in Miami großgezogen, Ende der 30er Jahre eines der ersten sozialen Wohnungsbauprojekte für Schwarze im Süden der USA.
Auch der Autor Tarell Alvin McCraney wuchs dort auf. Er begann im Jahr 2003 nach dem Tod seiner Mutter, ein Drehbuch über seine Kindheit zu schreiben. Mit McCraneys Erlaubnis für das Drehbuch fuhr Jenkins für die erste Version nach Brüssel – der Rest ist nun Hollywood-Geschichte, denn auch für das Drehbuch wurden beide mit einem Oscar belohnt. Warum aber Belgien? Auch das beantwortete Jenkins: „Meine Freunde haben mir gesagt, dass Brüssel im Sommer der langweiligste Ort in Europa sei und ich dort keinerlei Ablenkung hätte.“