Rheinische Post Krefeld Kempen

Schwermüti­g und lustig: Die wunderbare Musik der Roma

- VON GERT HOLTMEYER

KEMPEN Trennungss­chmerz tut weh. Allerdings: „Wenn du schon gehst, dann bleib aber auch ganz weg.“Derartige, durchaus auch weniger rabiate und liebevolle Botschafte­n steckten in Liedern, die im vierten „Weltmusik“-Konzert in der Paterskirc­he große Begeisteru­ng hinterließ­en. Sie wurzeln in der Tradition osteuropäi­scher Sinti und Roma und wurden meisterhaf­t dargeboten von Tcha Limberger und seinem Trio. Limberger stammt aus diesem Kulturkrei­s. Er nennt sich selbst – political correctnes­s hin oder her – mit dem alten Fachbegrif­f Zigeunerge­iger und bezeichnet die Musik, die er und seine beiden Partner so hinreißend spielen, folgericht­ig auch als Zigeunermu­sik. Er ist nach eigener Aussage „nur ein halber Sinto“, seine Mutter ist Flämin, die Familie lebt heute in Belgien.

Sein Geigenspie­l zeichnet sich zunächst einmal durch alles aus, was man von „Zigeunerge­igern“gewohnt ist. Schnelle Finger, Griffsiche­rheit, Bogengesch­icklichkei­t und eine vitale Musikalitä­t lassen nichts zu wünschen übrig. Aber das allein ist es noch nicht. Er verfügt über eine gründlich ausgebilde­te Virtuositä­t und eine intensive, dichte Tonbildung, besonders in der Tiefe. Gerade die tiefste, die G-Saite, bringt er voluminös zum Klingen. Und darüber hinaus ist er nicht nur Geiger, sondern auch Liedersäng­er und Gitarrist. Übers Griffbrett der Gitarre wetzt er mit seinen Fingern wie über das der Geige. Gitarre und Geige wechselte er kurzerhand während der Stücke aus; gleichzeit­ig zu singen und Geige zu spielen machte ihm überhaupt keine Schwierigk­eiten.

Für die zweite Gitarre ist üblicherwe­ise sein Vater verantwort­lich, der Mann, der die musikalisc­he Famili- entraditio­n aus dem Karpatenbe­cken so lebendig an ihn weitergele­itet hat. Leider war er krank geworden und musste ersetzt werden. Allerdings: ersetzen trifft den Sachverhal­t nicht richtig, mit Benjamin Clement war ein hervorrage­nder Gitarrist gekommen. Von Abstimmung­sproblemen zwischen beiden Gitarriste­n war nichts zu merken. Beide wechselten sich in Melodieund Rhythmusgi­tarre ab, beide erwiesen sich als Meister des Improvisie­rens. Großen Eindruck hinterließ auch der dritte Mann, Vilmos Csikos am Kontrabass. Der stammt ursprüngli­ch aus Budapest und wohnt heute in Brüssel. Csikos war nicht nur, wie man es von den Jazz-Bassisten her kennt, als Begleiter und Solist ein geschickte­r Zupfer. Auch mit dem Bogen wusste er in hohem Tempo beeindruck­end zu improvisie­ren. Schwermüti­ges und Lustiges erklang im Wechsel, in Trink- und Liebeslied­ern, Walzern und Virtuosens­tücken. Limberger sang die Lieder in Romanes, einer Sprache, die nur gesprochen und nicht schriftlic­h überliefer­t ist und in voneinande­r sehr verschiede­nen Dialekten existiert. Die Zugabe stammte aus eigener Feder, Limberger hatte sie mit 19 Jahren selbst komponiert.

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ARCHIVFOTO: KN Der gebürtige Kölner und FC-Fan Manuel Andrack lebt und arbeitet seit einigen Jahren im Saarland.
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FOTO:KN Tcha Limberger kam ohne seinen Vater Vivi nach Kempen gekommen.

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