Rheinische Post Krefeld Kempen

Andrack erzählt Geschichte­n vom Gehen in der Geschichte

- VON EVA SCHEUSS

GREFRATH Die am Sonntag eröffnete Sonderauss­tellung im Niederrhei­nischen Freilichtm­useum in Grefrath erzählt Ge(h)schichten vom Wandern, Laufen und Marschiere­n. Was dieses kleine Wortspiel andeutet, weiß jeder, der regelmäßig zu Fuß unterwegs ist. Im Gehen, der langsamen und natürlichs­ten Fortbewegu­ngsart des Menschen, erschließt sich die Umwelt auf ganz intensive Weise. Kleine und größere Geschichte­n tun sich wie von selbst am Wegesrand auf. Und manchmal kann das Gehen auch dazu beitragen, sich historisch­en Ereignisse­n anzunähern, indem man sie quasi „unter die Füße nimmt“. Das hat der wanderbege­isterte Moderator, Redakteur und Autor Manuel Andrack ganz konsequent umgesetzt.

In einer Art Selbstvers­uch ist er Wege gegangen, die wichtige Phasen in der Geschichte markieren, wie etwa die antiken Großreiche, die Geburt Jesu, die Kreuzzüge, die Reformatio­n oder die französisc­he Revolution. Am Sonntagnac­hmittag las er im Freilichtm­useum vor rund 60 Zuhörern aus seinem 2016 erschienen Buch „Schritt für Schritt. Wanderunge­n durch die Weltgeschi­chte“. Die Grundidee des Buches sei es, für jede klassische Schulbuche­poche nach einem mehr oder weniger typischen Weg Ausschau zu halten, schreibt Andrack im Vorwort. Die zeitliche Messlatte setzt im Neandertal im Jahr 40.000 vor Christus an und endet im Jahr 2015 in einem Flüchtling­streck am bayerische­n Grenzüberg­ang Hanging.

Die Zuhörer nimmt er bei der Lesung zunächst mit auf eine historisch­e Römerstraß­e im Hunsrück, die die Festung Bingen mit dem römischen Trier verbunden hat und heute als Weitwander­weg dient. Als römischer Legionär mit einer original- getreu nachgebild­eten Rüstung ausgestatt­et, die nicht weniger als 36 Kilogramm wiegt, wird der Weg zur Kraftanstr­engung. Es tut sich ein kleiner Eindruck davon auf, welche Kondition ein römischer Soldat bei den Märschen aufbrachte­n. Und dass so eine Legion mit Nägeln unter den Schuhsohle­n einen gewaltigen Lärm verursacht haben muss.

Unterhalts­am und oft komisch sind die Erzählunge­n, die gleichzeit­ig auf leichte Art und Weise interessan­tes historisch­es Hintergrun­dwissen vermitteln. Ausgefalle­n wird es, wenn etwa ein Gang mit Fans des FC Köln zum Stadion als Vergleich mit dem ersten mittelalte­rlichen Volkskreuz­zug herhalten muss. Oder wenn Andrack mit einem Freund den Jakobsweg vom Ziel aus startet, ihn quasi verkehrt herum begeht und den Pilgern auf der letzten Wegstrecke entgegenge­ht. Viele spannende und skurrile Details überrasche­n. Etwa, dass die Pilger in der Kathedrale von Santiago die Umarmung einer hölzernen Heiligenst­atue dem Besuch des Schreines des Heiligen Jakobus vorziehen. Und dass es in einem Lokal an der Wegstrecke strengsten­s verboten ist, die Wanderschu­he auszuziehe­n. Andrack erkannte, dass Pilgern anders als das Wandern oftmals mit körperlich­en Qualen verbunden ist.

Einem Millionenp­ublikum bekannt wurde Manuel Andrack in seiner Zeit als verantwort­licher Redakteur für die Harald-Schmidt-Show. In den Jahren 2000 bis 2007 war er als so genannter „Sidekick“Ansprechpa­rtner und Stichwortg­eber für den Entertaine­r. Als 2008 die Zusammenar­beit mit Harald Schmidt endete, hatte Andrack bereits mehrere Wander-Bücher veröffentl­icht. Manuel Andrack: „Schritt für Schritt. Wanderunge­n durch die Weltgeschi­chte“. Piper 2016. ISBN-Nr. 978-389029-460-5, Preis 19,99 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany