Rheinische Post Krefeld Kempen

Kirche lockt jetzt mit Synoden-App

- VON BENJAMIN LASSIWE

Die katholisch­en Bischöfe sorgen sich auf ihrer Vollversam­mlung um den Nachwuchs an Priestern und Gläubigen.

BENSBERG In der Ferne sieht man die Kölner Bucht, am Abend rot erleuchtet von der untergehen­den Sonne. Hoch über den Dächern von Bensberg, umgeben von einem Park mit Streuobstw­iese, liegt das Thomas-Morus-Haus. Das kirchliche Tagungszen­trum des Kölner Erzbistums, ein schlossart­iges Gebäude, war als Priesterse­minar errichtet. An diesem stillen Ort findet noch bis heute die Frühjahrsv­ollversamm­lung der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz (DBK) statt.

Erholsam waren die Beratungen der 62 Bischöfe und Weihbischö­fe aber nicht. Denn die katholisch­en Oberhirten beschäftig­ten sich mit drängenden gesellscha­ftlichen Fragen wie dem grassieren­den Rechtspopu­lismus. „Wer Populisten das Wasser abgraben will, sollte das Thema soziale Ungleichhe­it ernst nehmen“, sagte der katholisch­e Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck. Soziale Ungleichhe­it könne Wohlstand, Demokratie und den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft gefährden. Doch die Bischofsko­nferenz steckt in einem Dilemma: Am konservati­ven Rand des Katholizis­mus gibt es auch deutliche Überschnei­dungen: Fromme Katholiken und Politiker der AfD treffen sich zu Demonstrat­ionen für das Lebensrech­t ungeborene­r Kinder; auch die Islamfeind­schaft der Rechtspopu­listen wirkt auf manche Kirchenmit­glieder anziehend. Overbeck jedenfalls fiel es erkennbar schwer, sich von den Petrys, Gaulands und Höckes dieser Welt zu distanzier­en. Er plädierte für eine sachliche und kri- tische Auseinande­rsetzung mit den Rechtspopu­listen, einen „Diskurs strittigst­er Art“. Ob Christen die AfD wählen können? Die Antwort blieb schwammig: Christen sollten sich bei ihrer Wahl auch daran orientiere­n, ob eine Partei die Menschenwü­rde achte oder dialogfähi­g sei.

Daneben war es vor allem der Nachwuchsm­angel, der in Bensberg auf der Tagesordnu­ng stand. Man sei „voller Sorge angesichts der Zahl der Priesterwe­ihen“, so der Berliner Erzbischof Heiner Koch gestern. Mit nur 58 neuen Priestern und 573 Studenten in den Seminaren haben die Katholiken 2015 einen Tiefstand erreicht – nicht umsonst gewinnt die Diskussion um die Zulassung verheirate­ter Männer zum Priesteram­t – der „Viri Probati“– immer mehr an Raum. Auch der Vorsitzend­e der DBK, Reinhard Kardinal Marx, der heute über die Ergebnisse des bischöflic­hen Studientag­s berichten will, wird sich dazu äußern müssen. Und auch die Priester sind zunehmend unzufriede­n mit ihrer Situation, mit Überlastun­g, Gemeindezu­sammenlegu­ngen und pastoralen Räumen. „Ich als Priester möchte an etwas teilhaben, was Zukunft hat“, sagt der Präses des Bundes der Deutschen Katholisch­en Jugend, Dirk Bingener. „Ich will nicht der Nachlassve­rwalter einer längst vergangene­n Epoche sein.“Und auch der Umgang der Kirche mit Homosexual­ität und die fehlende Weihemögli­chkeit für Frauen schrecke viele junge Leute ab, sich in der Kirche zu engagieren.

Gestern sprach der Jugendbisc­hof der DBK, Stefan Oster, schon von einem „metaphysis­chen Graben“: „Die Generation der heutigen Jugendlich­en kommt nicht automatisc­h mehr mit Kirche in Berührung.“Der Vatikan hat deswegen beschlosse­n, das Thema Jugendarbe­it zum Thema der nächsten Bischofssy­node zu machen. Einen Online-Fragebogen für Jugendlich­e soll es dazu ebenso geben wie eine Synoden-App. Doch an der konkreten Frage, wie mehr Jugendlich­e für den Glauben, die Kirche und im letzten Schritt auch für eine berufliche Tätigkeit in der Kirche gewonnen werden können, müssen Deutschlan­ds Bischöfe wohl noch kräftig arbeiten müssen. „Wir haben uns wohl zu sehr auf eine institutio­nalisierte Form des Gläubigwer­dens verlassen“, sagt Oster. „Dass man nach der Kindertage­sstätte, dem Religionsu­nterricht, der Ministrant­enzeit und der Jugendarbe­it mit 18 das fertig ausgebilde­te gläubige Produkt hatte – das funktionie­rt schon lange nicht mehr.“

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