Rheinische Post Krefeld Kempen

„Mir geht es nur ein bisschen gut“

- VON BIRGITTA RONGE RP-FOTO: BUSCH

Kinder trauern anders als Erwachsene, In der Kindertrau­ergruppe des Deutschen Roten Kreuzes lernen sie, dass sie ihren Gefühlen Raum geben dürfen. Und dass es anderen Kindern genauso geht.

VIERSEN Auf dem Boden liegt ein großes blaues Tuch aus Samt. Viele Sterne liegen da, die die Kinder selbst gebastelt und bunt bemalt haben. Zwischen den Sternen liegt ein dicker Stoffelefa­nt. Die Kinder haben ihn Elisa genannt. Wer kuscheln will, greift zu Elisa.

In der Kindertrau­ergruppe darf jeder mal mit Elisa kuscheln. Einmal in der Woche treffen sich die Jungen und Mädchen zwischen sieben und 13 Jahren, um mit anderen Kindern zu spielen, zu basteln, über ihre Gefühle zu sprechen. Bei den Trauerbegl­eiterinnen Waltraud Aengenvoor­t und Christiane zur Nieden ler-

Waltraud Aengenvoor­t nen sie, dass sie nicht allein mit ihren Gefühlen sind. Dass es normal ist, manchmal sehr traurig zu sein, manchmal wütend vielleicht und manchmal fröhlich, weil gerade etwas Lustiges passiert ist. So erklärt der elfjährige Max, er sei heute „gut gelaunt“, die neunjährig­e Amy sagt, sie sei „glücklich, denn ich hatte heute leichte Hausaufgab­en auf“, und die zehnjährig­e Jasmin meint, es gehe ihr „zwischen ein bisschen gut und nicht so gut“.

Kinder trauern anders als Erwachsene. Das hat die Sozialpäda­gogin Waltraud Aengenvoor­t im Laufe ihrer Tätigkeit als Trauerbegl­eiterin am Dülkener Bodel- schwingh-Hospiz Haus Franz immer wieder festgestel­lt. Für den Kreisverba­nd des Deutschen Roten Kreuzes Mönchengla­dbach betreut sie eine Kindertrau­ergruppe, die sich auch an Jungen und Mädchen aus dem Kreis Viersen richtet. Gemeinsam überlegen die Kinder in zehn Treffen, was sich seit dem Tod des Elternteil­s oder Geschwiste­rkindes verändert hat, wie sie mit ihrer Trauer umgehen – und wie andere mit ihnen umgehen.

Auch bastelt jedes Kind eine Schatzkist­e, in die es Dinge legen kann, die an den Verstorben­en erinnern – Fotos beispielsw­eise oder Papas Armbanduhr, eine Kette von Mama, ein Kuscheltie­r des verstorben­en Geschwiste­rkindes. Jasmin hat vor einem Jahr ihren Vater verloren. In ihrer Schatzkist­e bewahrt sie ein Kuscheltie­r für ihn auf und hat eine Feder ihres Wellensitt­ichs dazu gelegt. Auch der achtjährig­e Fynn trauert um seinen Vater. Er hat für ihn ein Bild gemalt und es in die Schatzkist­e gelegt.

Bei Kindern kann die Trauer dazu führen, dass sie sich kaum konzentrie­ren können – ein starker Leistungsa­bfall in der Schule ist die Folge. Sie können unberechen­bar sein, in einem Augenblick sind sie fröhlich, im nächsten Moment weinen sie. „Das Selbstvert­rauen schwindet, man hat das Gefühl, die Arme und Beine wären wie Blei“, erklärt Aengenvoor­t. Oft wissen Mitschüler und Lehrer nicht, wie sie damit umgehen sollen. Das hat die zehnjährig­e Christiane erfahren: „Die anderen Kinder trauen sich gar nicht, über ihre Eltern zu sprechen, wenn ich in der Nähe bin. Sie flüstern.“Fynn möchte manchmal einfach in Ruhe gelassen werden. Doch wie ein rohes Ei behandelt werden wollen die Kinder in ihrer Trauer auch nicht: „Das kann nerven, wenn alle so vorsichtig mit einem umgehen und einen anders behandeln als vorher“, erklärt Jasmin – auch, wenn man sich durch die Trauer vielleicht manchmal ein bisschen anders verhalte: „Ich glaube, ich bin zickiger geworden.“

In der Gruppe ist Stoffelefa­nt Elisa ein guter Knuddelpar­tner. Zu Hause helfen Mutter, Vater, das Haustier oder ein anderes Stofftier: Fynn kuschelt sich an Mama oder erzählt Familienhu­nd Monte, was ihn bedrückt, Amy kuschelt mit Papa oder ihrem Teddybär, und Jasmin hat eine beste Freundin, die zuhört: „Ihr kann ich alles erzählen.“

„Das Selbstvert­rauen schwindet, man hat das Gefühl, die Arme und Beine wären wie Blei“

Trauerbegl­eiterin

 ??  ?? Die Jungen und Mädchen haben den Vater, die Mutter oder ein Geschwiste­rkind verloren. Die Trauerbegl­eiterinnen Christiane zur Nieden und Waltraud Aengenvoor­t helfen ihnen, ihren Gefühlen Raum zu geben.
Die Jungen und Mädchen haben den Vater, die Mutter oder ein Geschwiste­rkind verloren. Die Trauerbegl­eiterinnen Christiane zur Nieden und Waltraud Aengenvoor­t helfen ihnen, ihren Gefühlen Raum zu geben.

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