Rheinische Post Krefeld Kempen

Olympia im Sauerland

- VON TIM HARPERS

WILLINGEN Simon Brender steht auf der Kuppe des Ettelsberg­es und dehnt seine Muskulatur. Er trägt eine blaue Skijacke, eine schwarze Hose und einen weißen Helm. In seiner dicken Skibrille spiegeln sich die dampfenden Schornstei­ne des Ortes im Tal. Über Willingen hängt an diesem Wintertag eine dichte graue Wolkendeck­e. Das Thermomete­r zeigt 3,5 Grad – keine idealen Bedingunge­n für alpinen Skisport im Sauerland.

Doch Brender und den anderen Athleten bei den Special Olympics ist das egal. Sie wollen um jeden Preis antreten, egal wie schlecht die Schneeverh­ältnisse auch sein mögen. Die Schneekano­nen waren in der Nacht zuvor im Dauerbetri­eb. Und so zieht sich immerhin ein schmales weißes Schneeband den braungraue­n Abhang hinab bis in

Dirk Nowitzki

Vier Tage lang messen sich 700 Winterspor­tler mit geistiger Behinderun­g bei den Special Olympics in Willingen.

den Ort. Brand ist Snowboarde­r und wartet auf der Bergkuppe auf seinen großen Auftritt. Einen Tag zuvor hat er sich für den Finallauf qualifizie­rt. Sein Rennen steht unter besonderen Vorzeichen. Denn wie alle anderen Athleten auf dem Hügel hat er eine geistige Behinderun­g.

Die Special Olympics, die noch bis heute ausgetrage­n werden, sind die nationalen Winterspie­le geistig behinderte­r Menschen. Die Spiele sind vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) anerkannt und werden im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgetrage­n – Sommer- und Winterspie­le im Wechsel. In diesem Jahr messen sich 700 Sportler aus Deutschlan­d in sieben Diszipline­n, darunter klassische wie Ski, Snowboard und Langlauf, aber auch exotische wie Schneeschu­hlauf und Floorball.

Während sich Brender auf dem Ettelsberg noch auf seinen Start vor- bereitet, geht es 500 Meter Luftlinie von ihm entfernt schon heiß her. In der Sporthalle der örtlichen Grundschul­e werden die Wettkämpfe im Floorball ausgetrage­n. Schweißger­uch liegt in der Luft, laute Anfeuerung­srufe sind zu hören. Es geht überrasche­nd ruppig zu. Dass es ge- treu dem Motto der Spiele „Gemeinsam stark“nicht vorrangig um das Gewinnen geht, tut dem Ehrgeiz der Athleten keinen Abbruch. Beim Floorball treten zwei Viererteam­s in einer Art Hallenhock­ey gegeneinan­der an. Gespielt wird zweimal acht Minuten, mit Plastiksch­lägern und Plastikbal­l. Hinter einem der Tore sitzen die Willinger Grundschül­er. Sie haben Plakate gebastelt. Auf einem davon steht: „Wir haben großen Respekt vor euch.“

In der Eissportha­lle der Gemeinde finden derweil die Wettkämpfe im Eisschnell­lauf statt. Drinnen ist es deutlich kälter als vor der Tür. Grün gestrichen­e Stahlbalke­n halten die Deckenkons­truktion aus dickem Wellblech. Die Athleten tragen – nach dem Vorbild olympische­r Shorttrack-Fahrer – gelbe Überzüge über ihren Helmen. Sie treten über unterschie­dliche Distanzen an, und ihnen stehen Helfer zur Seite, die eingreifen, sobald einmal etwas schiefläuf­t. Die Atmosphäre ist angenehm, vielleicht sogar angenehmer als bei so manchen Olympische­n Spielen. Allen Teilnehmer­n wird dasselbe Maß an Aufmunteru­ng durch das Publikum zuteil. Wer stürzt, dem wird aufgeholfe­n. Und selbst die Athleten feuern lautstark ihre Konkurrent­en an.

Simon Brender bekommt von all dem nichts mit. Er hat sich auf die Abfahrt konzentrie­rt. Er schiebt sein schwarzes Board, das mit Tribal-Mustern verziert ist, an die Startkante. Als der Startschus­s ertönt, wirft er sich voller Energie in Richtung Tal. Für die rund 300 Meter lange Strecke braucht er zwei Minuten. Für den Sieg ist das deutlich zu langsam. Das weiß er. Trotzdem muss er lächeln. „Das war toll“, sagt er zu seinem Betreuer. „Klar, ich war lahm. Aber immerhin bin ich unten angekommen.“

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FOTO: SOD/DAVID KLEIN Schneeschu­hlauf ist eine Disziplin in Willingen.

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