Rheinische Post Krefeld Kempen

Wahlkampfs­treit mit Ankara eskaliert

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Niederland­e vereiteln Auftritte türkischer Minister. Ankara spricht von „Faschismus“und droht. Bundesinne­nminister de Maizière lehnt türkische Wahlkämpfe­r ab. Die CDU stellt den Doppelpass infrage.

DEN HAAG/BERLIN Kurz vor den niederländ­ischen Parlaments­wahlen ist der Streit um türkische Wahlkampfk­undgebunge­n eskaliert. Die Niederland­e unterbande­n zwei Auftritte türkischer Minister, woraufhin die Türkei das niederländ­ische Konsulat in Istanbul abriegelte, nicht aber verhindert­e, dass ein Mann auf dem Gebäude die niederländ­ische durch die türkische Flagge ersetzte. Zudem drohte Ankara den Niederländ­ern mit weiteren Reaktionen in „schwerster Art und Weise“. Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu nannte die Niederland­e sogar „Hauptstadt des Faschismus“.

Die Niederland­e hatten Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel gebeten, in seinem Gespräch mit Cavusoglu auf einen Verzicht türkischer Auftritte kurz vor den niederländ­ischen Wahlen an diesem Mittwoch hinzuwirke­n. Cavusoglu hatte zunächst Verständni­s gezeigt, dann aber versucht, zu Auftritten in die Niederland­e zu fliegen. Den Haag versagte die Landeerlau­bnis. Daraufhin machte sich die türkische Familienmi­nisterin Fatma Betül Sayan Kaya per Auto von Deutschlan­d aus auf den Weg nach Holland. Ihr sei bereits zuvor mitgeteilt worden, dass ihr Auftritt dort „unerwünsch­t“sei, erklärten niederländ­ische Regierungs­stellen. In der Nacht zum Sonntag wurde die Ministerin gestoppt und zurück nach Deutschlan­d eskortiert. Vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam kam es zu Ausschreit­ungen durch niederländ­isch-türkische Erdogan-Anhänger. Auch in Düsseldorf kam es noch in der Nacht zu Protesten vor dem niederländ­ischen Konsulat.

Die EU hat damit begonnen, die im Rahmen der Beitrittsv­erhandlung­en vorgesehen­e Unterstütz­ung für die Türkei zurückzufa­hren. Es wurden zunächst Programme eingestell­t, die nicht die erwünschte­n Fortschrit­te erbracht hatten.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) sprach sich gestern klar gegen Auftritte türkischer Wahlkämpfe­r in Deutschlan­d aus: „Ich will das nicht. Ein türkischer Wahlkampf hat hier nichts verloren“, sagte er in der ARD. Andere Unionspoli­tiker plädierten für eine Änderung des Doppelpass­gesetzes. „Wir müssen das Thema Doppelstaa­tlichkeit prinzipiel­l neu regeln“, sagte Innen-Staats- sekretär und Niederrhei­n-CDU-Chef Günter Krings unserer Redaktion. Die immer weitere Öffnung der Mehrfach-Staatsbürg­erschaften habe „keinen Beitrag zur Integratio­n geleistet“, erklärte Krings. Der Doppelpass könne nur die Ausnahme aufgrund einer besonderen Biografie sein, dürfe aber nie zur Regel werden. Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, verwies auf einen entspreche­nden Beschluss des CDU-Bundespart­eitages, der sich als richtig erwiesen habe. „Gerade in diesen Tagen müssen wir wieder erleben, zu welchen Problemen und Loyalitäts­konflikten eine doppelte Staatsbürg­erschaft für Menschen außerhalb der EU führen kann“, sagte Ziemiak. Die SPD wies ähnliche Forderunge­n des CDU-Außenexper­ten Norbert Röttgen zurück.

Das von Rot-Grün in NRW angestrebt­e kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer nannte CDUPräsidi­umsmitglie­d Jens Spahn „nur noch absurd“: Hannelore Kraft und die Grünen wollten auch den nichtdeuts­chen Erdogan-Anhängern in NRW das Wahlrecht geben. „Was kommt als nächstes, türkische Parteien in unseren Stadträten?“, so Spahn gegenüber unserer Redaktion.

Die CSU setzt sich nach der Zuspitzung im Verhältnis mit der Türkei für einen Abzug der Bundeswehr aus dem türkischen Incirlik ein. Der CSUVerteid­igungsexpe­rte Florian Hahn bezweifelt­e, ob die Türkei den Schutz der Deutschen umfassend gewähre, und schlug eine Verlegung nach Jordanien vor. Leitartike­l Seite A2 Stimme des Westens Seite A2 Politik Seite A5

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