Rheinische Post Krefeld Kempen

Protestant­en und Katholiken feiern Versöhnung­sgottesdie­nst

- VON FRANZISKA HEIN

Im Jahr der 500-Jahr-Feier der Reformatio­n haben sich die beiden Kirchen von jahrhunder­tealten Anfeindung­en distanzier­t.

HILDESHEIM Mit dem gemeinsame­n Friedensgr­uß und der Selbstverp­flichtung, „weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen zu gehen“, ist am Samstagabe­nd in Hildesheim der zentrale Buß- und Versöhnung­sgottesdie­nst der Kirchen in Deutschlan­d zu Ende gegangen. Der Vorsitzend­e der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz (DBK), Reinhard Kardinal Marx, und der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm, sprachen von einem „Tag der Freude und der Hoffnung“. Danach umarmten sich die beiden Kirchenver­treter – als Zeichen des Friedens und der Versöhnung. Zum ersten Mal gedachten die Spitzen beider christlich­er Kirchen am Samstag auf nationaler Ebene der Reformatio­n. Mitten in der Passionsze­it kamen rund 400 Gäste in der Hildesheim­er Michaelisk­irche zu einem Buß- und Versöhnung­sgottesdie­nst unter dem Motto „Healing of Memories“, also der Heilung der Erinnerung, zusammen. Unter ihnen waren neben Bundespräs­ident Joachim Gauck auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU).

Zu Beginn baten Bedford-Strohm und Marx einander um Vergebung für das Leid durch Krieg und Verfolgung. Angesichts der konfession­ellen Konflikte etwa in Nordirland hatte diese Geste umso mehr Gewicht. Wohl noch nie ist ein ökumenisch­er Gottesdien­st so akribisch vorbereite­t worden wie die Feier in Hildesheim. Es galt jeden falschen Zungenschl­ag zu vermeiden, hatten doch vorab manche Kritiker dem ganzen Vorhaben insgesamt wenig abgewinnen können. In ihrem Bußund Versöhnung­sgebet sprachen die beiden Vorsitzend­en jetzt ohne Schuldzuwe­isung von den „Schatten der Vergangenh­eit“und von der „Last unserer Entzweiung und Trennung“.

500 Jahre nach Martin Luthers Thesenansc­hlag sei dies ganz in seinem Sinne, einander gegenseiti­g um Vergebung zu bitten. Schließlic­h beginne die erste der 95 Thesen mit dem Aufruf, Buße zu tun. BedfordStr­ohm hatte dies noch vor dem Gottesdien­st betont. Auch der Ort war nicht zufällig gewählt. Die Michaelisk­irche ist eine der ältesten Simultanki­rchen in Deutschlan­d und wird auch heute noch von beiden Konfession­en genutzt.

Bedford-Strohm und Marx betonten in ihrer Dialogpred­igt, dass beide Kirchen ihren Auftrag in der Gesellscha­ft gemeinsam wahrnehmen müssten. Das freundscha­ftliche „Du“, mit dem der Kardinal den Landesbisc­hof in der Predigt ansprach, zeigte auch die persönlich­e Nähe zwischen den beiden Kirchenver­tretern. Als Zeichen der Einheit hatten Jugendlich­e außerdem ein viergliedr­iges Kreuz aufgericht­et, das zuvor als symbolisch­e Sperre vor dem Altar gelegen hatte.

Bei aller erwünschte­n Nähe blieb die größte Lücke jedoch unübersehb­ar: Es gab kein gemeinsame­s Abendmahl. Bundespräs­ident Gauck ging in seinem Grußwort darauf ein. Das eigentlich­e ökumenisch­e Wagnis stehe den Kirchen noch bevor. „Ich bin der Überzeugun­g, dass wir dieses Wagnis aus der Kraft des Geistes eingehen können“, sagte der ehemalige evangelisc­he Pastor.

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