Rheinische Post Krefeld Kempen
Protestanten und Katholiken feiern Versöhnungsgottesdienst
Im Jahr der 500-Jahr-Feier der Reformation haben sich die beiden Kirchen von jahrhundertealten Anfeindungen distanziert.
HILDESHEIM Mit dem gemeinsamen Friedensgruß und der Selbstverpflichtung, „weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen zu gehen“, ist am Samstagabend in Hildesheim der zentrale Buß- und Versöhnungsgottesdienst der Kirchen in Deutschland zu Ende gegangen. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Reinhard Kardinal Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sprachen von einem „Tag der Freude und der Hoffnung“. Danach umarmten sich die beiden Kirchenvertreter – als Zeichen des Friedens und der Versöhnung. Zum ersten Mal gedachten die Spitzen beider christlicher Kirchen am Samstag auf nationaler Ebene der Reformation. Mitten in der Passionszeit kamen rund 400 Gäste in der Hildesheimer Michaeliskirche zu einem Buß- und Versöhnungsgottesdienst unter dem Motto „Healing of Memories“, also der Heilung der Erinnerung, zusammen. Unter ihnen waren neben Bundespräsident Joachim Gauck auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
Zu Beginn baten Bedford-Strohm und Marx einander um Vergebung für das Leid durch Krieg und Verfolgung. Angesichts der konfessionellen Konflikte etwa in Nordirland hatte diese Geste umso mehr Gewicht. Wohl noch nie ist ein ökumenischer Gottesdienst so akribisch vorbereitet worden wie die Feier in Hildesheim. Es galt jeden falschen Zungenschlag zu vermeiden, hatten doch vorab manche Kritiker dem ganzen Vorhaben insgesamt wenig abgewinnen können. In ihrem Bußund Versöhnungsgebet sprachen die beiden Vorsitzenden jetzt ohne Schuldzuweisung von den „Schatten der Vergangenheit“und von der „Last unserer Entzweiung und Trennung“.
500 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag sei dies ganz in seinem Sinne, einander gegenseitig um Vergebung zu bitten. Schließlich beginne die erste der 95 Thesen mit dem Aufruf, Buße zu tun. BedfordStrohm hatte dies noch vor dem Gottesdienst betont. Auch der Ort war nicht zufällig gewählt. Die Michaeliskirche ist eine der ältesten Simultankirchen in Deutschland und wird auch heute noch von beiden Konfessionen genutzt.
Bedford-Strohm und Marx betonten in ihrer Dialogpredigt, dass beide Kirchen ihren Auftrag in der Gesellschaft gemeinsam wahrnehmen müssten. Das freundschaftliche „Du“, mit dem der Kardinal den Landesbischof in der Predigt ansprach, zeigte auch die persönliche Nähe zwischen den beiden Kirchenvertretern. Als Zeichen der Einheit hatten Jugendliche außerdem ein viergliedriges Kreuz aufgerichtet, das zuvor als symbolische Sperre vor dem Altar gelegen hatte.
Bei aller erwünschten Nähe blieb die größte Lücke jedoch unübersehbar: Es gab kein gemeinsames Abendmahl. Bundespräsident Gauck ging in seinem Grußwort darauf ein. Das eigentliche ökumenische Wagnis stehe den Kirchen noch bevor. „Ich bin der Überzeugung, dass wir dieses Wagnis aus der Kraft des Geistes eingehen können“, sagte der ehemalige evangelische Pastor.