Rheinische Post Krefeld Kempen

„Gehen Sie weg, kommen Sie nicht wieder“

- VON PHILIPP JACOBS

Der niederländ­ische Rechtspopu­list Geert Wilders versucht aus dem Streit mit der Türkei im Wahlkampf Kapital zu schlagen.

VALKENBURG Es ist ein sonniger Samstag. Die Cafés im Touristend­örfchen Valkenburg zwischen Maastricht und Sittard sind gut gefüllt. Es könnte idyllisch sein. Wären da nicht die vielen Polizisten, die Wege absperren und die Menschen zurückdrän­gen. „Was ist denn hier los?“, fragt eine deutsche Stimme. „Geert Wilders“, sagt eine andere. Ja, Geert Wilders ist los.

Zwei schwarze BMW-Limousinen fahren vor. Jubelrufe, Klatschen, als sich der wohl bekanntest­e Politiker der Niederland­e in der Mittagsson­ne zeigt. Wilders setzt ein breites Grinsen auf und beginnt mit dem „flyeren“, wie man in Holland sagt. Wörtlich übersetzt heißt es „Flyer verteilen“, gemeint ist: Werbung für sich selbst machen. Wilders ist gewohnt enthusiast­isch bei der Sache. Sein Gesicht wirkt braun gebrannt. Es gibt die Geschichte, dass Wilders vor Auftritten wie diesen seit Kurzem geschminkt wird, weil er auf Fotos zuletzt immer so blass aussah. Dass er seine Haare stets blond färbt, ist derweil kein Geheimnis. Mit 1,95 Metern ist der Chef der rechtspopu­listischen „Freiheitsp­artei“(PVV) zudem der größte Spitzenkan­didat der Niederland­e.

Öffentlich­e Auftritte wie diese gibt es mit Wilders selten. Doch seine Partei hat in der Provinz Limburg zuletzt viele Stimmen verloren. Wenn er gefragt wird, ob er am Mittwoch bei der Parlaments­wahl gewinnen wird, hält sich Wilders ungewohnt zurück. In den Umfragen hat die Volksparte­i von Premier Mark Rutte die PVV überholt und ist nun stärkste Kraft. Steht er wie heute vor einer Menschenme­nge, sagt Wilders Dinge wie „geweldig“(„großartig“) und fragt die Menschen: „Alles goed?“. Wobei er das „G“nicht wie üblich krächzt, sondern fast wie ein deutsches „G“ausspricht. Es ist der Limburger Dialekt, den Wilders – selbst gebürtiger Venloer – sofort aufsetzt, wenn er mit dem „normalen Volk“spricht. Die Leute mögen es. Ich bin einer von euch, ist die Botschaft. Wilders verspricht einem Arbeitslos­en, dass dieser bald wieder eine Stelle haben werde. Er will wieder mehr Unternehme­n in die Region locken. Wilders drückt dem Mann einen selbst gedruckten Geldschein, der Wilders’ Konterfei zeigt, in die Hand und klopft ihm auf die Schulter. Andere in der Menge wollen einfach nur ein Selfie mit Wilders. Ob Mann, Frau, Kind oder Hund, Wilders lässt sich mit jedem fotografie­ren.

Die hohe Sicherheit­sstufe des PVV-Chefs erfordert dann aber doch mehr Distanz. Vier Leibwächte­r folgen Wilders auf Schritt und Tritt. Sie bitten Journalist­en, die Kameras zurückzune­hmen, ein Jugendlich­er möge doch bitte die Hände aus der Jackentasc­he nehmen, wenn er mit Wilders spreche, und während Mütter mit ihren Babys auf dem Arm dem Rechtspopu­listen freudig zuwinken, werfen Polizisten einen Blick in die leeren Kinderwage­n.

Während seines Rundgangs widmet sich Wilders immer wieder den Journalist­en, mit denen er in der Sprache spricht, in der er gefragt wird: Englisch, Deutsch, Niederländ­isch. Wenn er merkt, dass mehrere Journalist­en unterschie­dlicher Nationen die gleiche Frage haben, sagt er, dass er jetzt Englisch sprechen werde, damit alle es verstehen.

Das Thema Islam ist in den Gesprächen allgegenwä­rtig. Wilders will die Niederland­e „de-islamisier­en“, wie er es nennt. So hat er es in sein Wahlprogra­mm geschriebe­n, das auf einer Din-A4-Seite Platz findet. „Der Islam ist für mich nicht mit Freiheit in Einklang zu bringen“, sagt er. Wie er das denn im Detail anstellen wolle, fragt eine spanische Journalist­in. Wilders grinst nur und geht weiter. So ergeht es an diesem Tag vielen, die statt Plattitüde­n Konkretes hören wollen. Wilders redet nicht gern über Konkretes.

Plötzlich ploppt auf den Smartphone­s die Eilmeldung auf, dass die Niederland­e der Maschine des türkischen Außenminis­ters Mevlüt Cavusoglu die Landung versagt haben. Danach gefragt sagt Wilders, er begrüße die Entscheidu­ng der Regierung sehr. Zumal es ja seine Partei, die PVV, gewesen sei, die unter anderem mit Protestmär­schen vor der türkischen Botschaft in Den Haag die Regierung von Premier Rutte sensibilis­iert habe, bei dem Thema Härte zu zeigen. Als sich wenig später am Abend die Situation vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam zuspitzt, weiß Wilders auch diesen Konflikt für sich zu nutzen.

Bürgermeis­ter Ahmed Aboutaleb hatte zuvor der türkischen Familienmi­nisterin Fatma Betül Sayan Kaya den Zugang zum Konsulat ver- wehrt. 1500 türkischst­ämmige Niederländ­er protestier­en vor dem Gebäude. Wilders schreibt daraufhin bei Twitter an die türkische Ministerin: „Gehen Sie weg, kommen Sie nicht wieder und nehmen Sie bitte all Ihre türkischen Fans aus den Niederland­en mit.“

Der Eklat trifft die Niederland­e wenige Tage vor der am Mittwoch stattfinde­nden Parlaments­wahl, bei der sich Rutte vor allem gegen Wilders behaupten muss. Während Rutte die von Präsident Recep Tayyip Erdogan lancierten Vergleich mit „Nazi-Überbleibs­eln“zunächst als „verrückte Bemerkung“zurückgewi­esen hatte, bemühte er sich gestern um Deeskalati­on. „Falls die Türken sich entscheide­n, zu eskalieren, werden wir reagieren müssen. Aber wir werden alles dafür tun, zu deeskalier­en.“Er sagte aber auch, dass der türkische Außenminis­ter und danach die aus Deutschlan­d mit dem Auto anreisende Familienmi­nisterin an Reden zum türkischen Verfassung­sreferendu­m gehindert werden mussten, weil die Türkei schon vorab mit Sanktionen gedroht habe.

Nach einem Bericht der „Bild“Zeitung wurde Cavusoglu von den Niederland­en zuvor offiziell gebeten, auf Wahlkampfa­uftritte zu verzichten. Vor der Parlaments­wahl würden Wahlkampfa­uftritte nur Gegner der Türkei und des Islam stärken, hieß es zur Begründung. Er habe dafür zunächst auch Verständni­s gezeigt. An diesem Wochenende galt das offenbar nicht mehr.

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FOTO: REUTERS Der niederländ­ische Rechtspopu­list Geert Wilders auf Wahlkampft­our. Am Mittwoch wird in den Niederland­en ein neues Parlament gewählt.
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FOTO: REUTERS Der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte von den Liberalen mischt sich in Breda unter die Wähler.

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