Rheinische Post Krefeld Kempen

Piëch vor dem Abgang

- VON FLORIAN RINKE

Blut ist dicker als Wasser, heißt es über den Zusammenha­lt in Familien. Die VW-Großaktion­äre, die Familien Porsche und Piëch, demonstrie­ren auf der großen Bühne, dass es auch anders geht.

DÜSSELDORF Früher, sagen Leute, die dabei gewesen sind, seien Abendveran­staltungen des VWKonzerns vor den großen Automessen immer nach dem gleichen Ritual abgelaufen: Eine Traube von Journalist­en habe Ferdinand Piëch umringt und jeden Halbsatz des VWPatriarc­hen gedeutet, während sein Cousin Wolfgang Porsche in Ruhe das eine oder andere neue Modell inspiziert­e.

Diesmal war es anders beim Genfer Autosalon: Da umringten die Pressevert­reter Wolfgang Porsche – und von Piëch keine Spur. Er, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit das Zentrum der Macht im weit verzweigte­n VW-Konzern gebildet hatte, ist nicht mehr gerne gesehen. Angeblich, berichtet die „Bild am Sonntag“soll er nun sogar als Aufsichtsr­at der Porsche SE, wo die milliarden­schwere Beteiligun­g der Familien Porsche und Piëch am Volkswagen-Konzern gebündelt ist, entmachtet werden. Die Familien Porsche und Piëch hätten sich darauf geeinigt, ihm im Zuge einer Umstruktur­ierung des Kontrollgr­emiums der Porsche SE das Aufsichtsr­atsmandat zu entziehen, schreibt die Zeitung. Es wäre der Schlusspun­kt eines seit Jahren tobenden Machtkampf­es.

Wie es inzwischen um die Familie bestellt ist, verriet Wolfgang Porsche in Genf in seiner gewohnt zurückhalt­enden Art: „Die Familie ist manchmal nicht einfach“, sagte der 73-Jährige da.

Das ist freundlich umschriebe­n für die Situation beim weltgrößte­n Autoherste­ller, dessen Machtgefüg­e im Grunde seit April 2015 neu austariert wird. Damals hatte Piëch den fast schon legendären Satz „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“gesagt – und damit die Entmachtun­g seines einstigen Ziehsohns und damaligen VW-Chefs beim Wolfsburge­r Autokonzer­n forciert.

Das Ende ist bekannt: Piëch verlor den Machtkampf, weil sich die Familien auf die Seite von Winterkorn schlugen. Der Patriarch trat von sämtlichen Ämtern zurück – nur sein Aufsichtsr­atsmandat in der Porsche SE behielt er. Die Demütigung, so scheint es, hat der 79-Jährige nicht verziehen. Selbst der wenige Monate später erfolgte Rücktritt von Winterkorn aufgrund des Abgasskand­als dürfte daran nichts geändert haben.

Zuletzt hatten nämlich bei der Aufarbeitu­ng des VW-Dieselskan­dals angebliche Anschuldig­ungen Piëchs für Aufsehen gesorgt. Demnach soll er Mitglieder des Aufsichtsr­ats-Präsidiums, dem kleinen Führungszi­rkel innerhalb des VWAufsicht­srates, gegenüber der Staatsanwa­ltschaft schwer belastet haben. Er soll auch Cousin Wolfgang Porsche vorgeworfe­n haben, früher als bisher bekannt über einen Verdacht von Abgas-Manipulati­onen in den USA Bescheid gewusst zu haben. Dieser hatte das scharf zurückgewi­esen. Porsche sagte zuletzt in Genf, er werde in dieser Sache allerdings nicht juristisch gegen Piëch vorgehen, er wolle deeskalier­en.

Ein Rauswurf aus dem Aufsichtsr­at der Porsche SE, die 52 Prozent der Stimmrecht­e am Volkswagen­Konzern hält, wäre allerdings alles andere als ein Friedensan­gebot. Möglich wird die Neubesetzu­ng des Aufsichtsr­ates sowieso nur, weil sich zuletzt sämtliche Arbeitnehm­ervertrete­r aus dem Gremium zurückgezo­gen haben. Damals wurde gerätselt, warum die ansonsten so machtbewus­sten Betriebsrä­te freiwillig auf Einfluss verzichten. Offiziell hieß es, die Porsche SE betreibe derzeit kein operatives Geschäft. Die Änderung solle die Abläufe vereinfach­en.

Nun könnte die Hauptversa­mmlung am 30. Mai in Stuttgart das Ende der Ära Piëch einleiten. Da die Großfamili­e das alleinige Stimmrecht hat, gilt es als sicher, dass die zuvor vorgeschla­genen Vertreter bei der Hauptversa­mmlung auch gewählt werden. Als gesetzt gelten dem Vernehmen nach Aufsichtsr­atschef Porsche, der auch Sprecher der Porsche-Familie ist, sowie der Sprecher der Piëch-Familie, Hans Michel Piëch. Er ist der Bruder von Ferdinand Piëch und der Cousin von Wolfgang Porsche. Sollte Ferdinand Piëch aus dem Aufsichtsr­at gedrängt werden, blieben ihm zwar

„Die Familie ist manchmal nicht

einfach“

Wolfgang Porsche

Aufsichtsr­atschef der

Porsche SE

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