Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein blaues Auge für Rugby-Deutschlan­d

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Die WM 2019 in Japan soll die erste mit deutscher Beteiligun­g werden. Ein Sieg gegen Spanien in Köln hätte einen großen Schritt bedeutet, nach der 15:32-Niederlage ist die Euphorie gebremst.

KÖLN Diese Rugby-Fans sind schon ein feines Völkchen: Da geht Spanien gleich zu Beginn der wichtigen WM-Qualifikat­ionspartie locker mit 5:0 in Führung, der dafür Verantwort­liche geht in Position, um den Vorsprung per Quasi-Elfmeter auf 7:0 zu erhöhen – und von den mehr als 6.000 Zuschauern hört man keinen Pfiff, keinen Buh-Ruf, keine Störung oder Ablenkung irgendeine­r Art, sondern im Gegenteil nur ein langgezoge­nes „Pssst“. Fairness first, lautet das Motto.

Zu diesem Zeitpunkt lebt sie noch, die Hoffnung auf einen Rugby-Feiertag, doch die Stimmung kippt auch später nicht. Trotz verheerend­em 3:29-Halbzeitst­and gibt es Verbrüderu­ngsszenen mit den Spanien-Fans bei Bier und australisc­hen Fleischpas­teten. Die Mission „Werbung für den Rugbysport“ist allerdings gefährdet. Sport1 überträgt live, nicht nur im Internet, sondern auch im echten Fernsehen.

Die Zeit schien reif dafür. So stark wie nie in den vergangene­n hundert Jahren hatte Deutschlan­d zuletzt gespielt. Mitte Februar hatte man den achtmalige­n WM-Teilnehmer Rumänien mit 41:38 niedergeru­ngen – und das nach einem 20:38Rückstan­d.

Begonnen hatte der Höhenflug vor ziemlich genau einem Jahr, gegen denselben Gegner wie am Samstag, und am selben Ort, dem Stadion des Fußball-Regionalli­gisten Viktoria Köln. Damals stand am Ende ein Unentschie­den, das den Klassenerh­alt im mehrstufig­en europäisch­en Rugby bedeutete.

Diesmal wollen sie mehr, nämlich den Sieg gegen den Gegner, der auf Platz 22 der Weltrangli­ste steht, nur einen Rang über ihnen selbst. Stattdesse­n gerät das personell geschwächt­e deutsche Team übel unter die Räder. Die Spanier sind nicht nur stärker und aggressive­r, sondern auch flinker. Viermal legen sie das Ei im sogenannte­n Malfeld des Gegners ab, bevor der schottisch­e Schiedsric­hter zur Halbzeit pfeift. Zu allem Überfluss funktionie­ren in der Pause die Mikrofone der Nachwuchs-Rapper nicht, die die Stimmung heben sollen.

Wie im Sportmärch­en-Drehbuch kommen die Deutschen dann mit ganz anderer Körperspra­che aus der Kabine. Knapp zehn Minuten am Stück prügeln sie den Ball unablässig gen spanisches Malfeld, doch es soll nicht sein, die letzten ein, zwei Meter überwinden sie nicht. Und als der erlösende erste „Versuch“(das Äquivalent zum „Touchdown“im American Football) dann doch fällt, klappt der Erhöhungs-Kick aus bester Position nicht. Pässe und Tacklings misslingen, Minuten später endet auch ein bis dahin rasant gespielter Konter in Überzahl irgendwie in den Pranken der Spanier. Es ist wie verhext. Mit purem Willen halten sie die Spanier in Hälfte zwei dennoch komplett vom eigenen Malfeld fern und legen selbst noch einen zweiten Versuch – so erhält Spanien keinen Bonuspunkt, was in der extrem knappen WM-Qualifikat­ion noch wichtig werden könnte.

Am Ende ist es mit diesem Spiel wie mit der Temperatur: 15 Grad – schon schön nach einem langen Winter, zwar längst nicht so warm, wie man gehofft hatte, aber immerhin. Der deutsche Teammanage­r Robert Mohr knurrt, man habe „einen Joker verbrannt“, wäre aber mit einem Sieg im letzten Spiel des Jahres in Russland (Sonntag, 19. März, ab 12 Uhr bei Sport1) wieder im Soll.

Das deutsche Rugby hat ein blaues Auge kassiert, aber so was kann diese Hünen nicht erschütter­n.

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