Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Diamanten von Nizza
Die Diamanten sind weg. Der Schaden ist bereits angerichtet.“„Stimmt. Aber die Diamanten werden vermutlich ersetzt werden. Und abgesehen davon haben solche Leute noch andere Besitztümer, die anständig versichert sein sollten. Wir könnten den Castellacis in Aussicht stellen, dass wir das neue Sicherheitssystem, sobald es den letzten Schliff erhalten hat, kostenlos in ihrem Haus einbauen, wenn sie bereit sind, uns bei der Aufklärung des Falls zu unterstützen. Wir könnten außerdem darauf hinweisen, dass die Chance auf eine reduzierte Prämie besteht, was für diesen knauserigen kleinen Mistkerl von Ehemann mit Sicherheit ein Anreiz wäre. Vielleicht haben wir ja Glück, und ich kann, während du mit dem Hausherrn den Tresor und die Alarmanlage untersuchst, ein bisschen in der Dachstube des Sommeliers herumwühlen. Ich würde die gern mal in naturbelassenem Zustand inspizieren.
„Sam beugte sich zu ihr und küsste sie. „Es gibt nichts, was ich mehr liebe als eine intelligente Frau mit schönen Beinen und kriminellen Neigungen.“
Der Rest des Vormittags wurde mit Diskussionen und dem Ausfeilen von Elenas Idee verbracht, und als Rebouls Küchenchef kurz nach zwölf auftauchte, um die Häupter derer zu zählen, die zum Mittagessen blieben, hatten sie ausnahmslos das Gefühl, etwas in der Hand zu haben, womit sie arbeiten konnten. Sofern die Castellacis sich überreden ließen zu kooperieren.
Als Reboul nach einem harten Vormittag mit einem Verhandlungsmarathon mit seinen Bauausrüstungslieferanten, bei dem er auf Granit gebissen hatte, nach Hause zurückkehrte, entdeckte er zu seiner großen Freude, dass er gleich drei Gefährten hatte, die ihm beim Mittagessen Gesellschaft leisten konnten. Er war so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr, und den Grund dafür verriet er ihnen, als die ersten Gläser rosé auf der Bildfläche erschienen. Seine neue Geliebte Monica Chung hatte sich einverstanden erklärt, eine Verschnaufpause von ihren geschäftlichen Aktivitäten einzulegen, um gemeinsam mit ihm den Sommer in der Provence zu verbringen.
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich für Sie freue“, erklärte Elena Monsieur Reboul, als sie zu Tisch gingen. Es wäre wirklich ungewöhnlich gewesen, fand sie, wenn ein Mann wie Francis lange ohne eine Geliebte an seiner Seite geblieben wäre.
„Monica ist nicht nur eine bezaubernde Frau“, erwiderte Reboul, „sondern auch eine hervorragende Köchin, und ich hoffe, dass Alphonse ihr von Zeit zu Zeit Einlass in seine Küche gewährt.“
Alphonse war bereits an Ort und Stelle, wartete am Kopfende des Tisches auf sie. Zusätzlich zu seinen Pflichten als Küchenchef war es ihm immer eine große Freude, in die Rolle des Zeremonienmeisters zu schlüpfen und bis in alle Einzelheiten zu verkünden, welche lukullischen Genüsse seinen Gästen bevorstanden. Das hatte Sam bewogen, ihn als wandelnde Speisekarte zu bezeichnen.
Alphonse tippte mit dem Messer an den Rand eines Weinglases. „Heute gibt es zum Auftakt als kleine Aufmunterung für die Geschmacksnerven, eine eisgekühlte sommerliche Melonensuppe. Die Melonen stammen selbstverständ- lich aus Cavaillon, der Melonenmetropole schlechthin. Danach folgt ein Gericht, das sich auf Korsika großer Beliebtheit erfreut: bresaola – hauchzarte, luftgetrocknete Rindfleischscheiben mit ein paar Tropfen feinstem Olivenöl und einer Sauce aus geschmolzenem Gorgonzola, und dazu gibt es geröstete Babykartoffeln. Den Abschluss bildet eine Schokoladenmousse, von einem winzigen Klecks Vanillesahne gekrönt. Et voilà!“Nach einer kurzen Pause, in der er den Beifall seiner Zuhörer entgegennahm, kehrte er in die Küche zurück.
Sam und Philippe brachten Reboul auf den neuesten Stand, was ihre Fortschritte bei der Aufklärung der Raubüberfälle betraf; Elena erstattete ihrerseits über die Fortschritte bei den Renovierungsarbeiten Bericht. Als Reboul das Trio auf der Terrasse zurückließ, schwirrte ihm beinahe der Kopf von der Fülle der Informationen, und er freute sich auf einen friedlichen Nachmittag in seinem Büro.
Philippe reckte sich und blickte auf seine Uhr. „Ich habe für den Rest des Tages frei. Habt ihr Lust, mir euer neues Haus zu zeigen?“
Die antike Tür war eingehängt, der Klopfer angebracht, die Fenster waren eingesetzt und die Gehwegplatten im Außenbereich verlegt. Plötzlich glich das Haus weniger einem Schlachtfeld, auf dem eine Bombe eingeschlagen hatte, sondern eher einem begehrenswerten Wohnsitz in Bestlage, wie ein großspuriger Immobilienmakler es anpreisen würde. Philippe war hingerissen von dem Ausblick und wurde immer nachdenklicher, als sie mit ihm eine Führung durch das Innere des Hauses veranstalteten. – „Was für ein herrliches Fleckchen Erde“, meinte er. „Gebt ihr eine Einwei- hungsparty?“– „Aber sicher“, erwiderte Sam. Nur wir beide, Mimi und du, und Reboul. Und vielleicht Alphonse in der Küche. Das reicht.“
„Natürlich“, erwiderte Philippe. „Das verstehe ich, obwohl ich nicht viel davon erkenne.“„Wovon?“„Von dem Hang, den Ball flachzuhalten und sich in den eigenen vier Wänden zu verschanzen, nach dem Motto: Trautes Heim, Glück allein.“Er zögerte einen Moment, bevor er fortfuhr. „Würdet ihr eventuell in Erwägung ziehen, eine Ausnahme zu machen? Mimi und ich wollen im September heiraten, und euer Haus wäre wie geschaffen für eine kleine Nachfeier.“
Elena und Sam blickten sich an und lächelten. „Unter einer Bedingung“, sagte Elena. „Dass wir eingeladen sind.“
Für Coco ging ein mehr als ermüdender Tag zu Ende, der in Nizza begonnen hatte und mit kurzen Abstechern nach Marseille und Cassis zu Ende gegangen war. Als sie an diesem Abend in ihr Büro zurückkehrte, wollte sie nichts weiter als absolute Ruhe und ein Glas guten Rotwein. Sie hatte immer noch die Nörgeleien ungeduldiger Klienten und jammernder Handwerker in den Ohren.
Sie streifte ihre Schuhe ab, trat auf die Terrasse hinaus und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer in einen Sessel fallen. Wie auf Stichwort läutete ihr Handy.
Es war Kathy Fitzgerald, die sich vor Dankbarkeit schier überschlug. „Es war sooo süß von Ihnen, dass Sie Monsieur Gregoire vorbeigeschickt haben; so ein reizender Kerl und so ein ansprechendes Erscheinungsbild!
(Fortsetzung folgt)