Rheinische Post Krefeld Kempen

Ungeheure Vitalität der alten Musik ausgespiel­t

- VON GERT HOLTMEYER

KEMPEN Zwischen Barock- und Gypsymusik liegen Welten. Könnte man meinen, stimmt aber nicht. Schon Georg Philipp Telemann, verriet Piers Adams seinen Zuhörern in der Paterskirc­he, sammelte auf Reisen osteuropäi­sche Melodien, er liebte die Musik der Sinti und Roma. Ob man das seiner Musik anmerkt oder nicht, ist eine Frage der Interpreta­tion.

Piers Adams ist der Blockflöti­st des Quartetts „Red Priest“, das mit seinen Namen an Antonio Vivaldi, den „Rothaarige­n Priester“erinnert. Adams, Adam Summerhaye­s (Violine), Angela East (Violoncell­o) und David Wright (Cembalo) verfolgen im Grunde die gleiche Konzeption wie „Musica antica e viva“, die Reihe, in der sie auftraten. Sie wollen zeigen, wie viel Leben in alter Musik steckt. Und das gelingt ihnen ganz hervorrage­nd, das Kempener Publikum eroberten sie gleich mit den ersten Takten. Ob sie sich nun Telemann, Händel, Biber, Albioni oder Vivaldi vornehmen, immer steckt eine ungeheure Vitalität in ihrem Spiel. Dabei steht vieles überhaupt nicht im Gegensatz zu den Prinzipien der historisch orientiert­en Aufführung­spraxis, im Gegenteil. Man spielt auf alten Instrument­en, wählt schnelle Tempi, betont die starken Taktzeiten und hebt das tänzerisch­e Element hervor.

Aber darüber hinaus erlaubt sich Red Priest einige künstleris­che Freiheiten. Dazu gehört grundsätzl­ich eine freie Verteilung der Stimmen auf die Instrument­e. In Vivaldis Violinkonz­ert a-moll beispielsw­eise übernimmt nicht der Geiger das Solo und die anderen die Begleitung. Der solistisch­e Part wandert durch die Instrument­e, einer nach dem anderen darf als Virtuose glänzen. Und dann kommen noch die typischen Stilmittel der Gypsy-Musik dazu. Wie die authentisc­h gespielt wird, war erst in der vergange- nen Woche in der Paterskirc­he vom Sinti-Geiger Tcha Limberger zu hören. Wie er verstand sich auch Red Priest darauf, schnelle Passagen mit einer unerhörten Virtuositä­t zu spielen und die Tempi wirkungsvo­ll zu variieren.

Schnelle Sätze begannen mit einem effektvoll­en „Einschleif­en“; man begann langsam und steigerte dann das Tempo bis in schwindele­rregende Dimensione­n. Mit Ausnahme des Cembaliste­n war für die Musiker die Verwendung von Noten tabu, humorvolle Bühnenpräs­enz wurde groß geschriebe­n. Natürlich könnte eine puritanisc­he Sichtweise einen Mangel an Werktreue einklagen. Anderersei­ts: so viel Lebendigke­it zeigt doch, dass der Geist hinter den Noten begriffen wurde. Und freies Improvisie­ren war zu Barockzeit­en allgemein üblich.

Die Zuhörer waren jedenfalls restlos begeistert und freuten sich anschließe­nd noch über zwei Zugaben.

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ARCHIVFOTO: JÜRGEN INGENHAAG Blockflöti­st Piers Adams erinnert mit seinem Quartett „Red Priest“an den rothaarige­n Priester Antonio Vivaldi.
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FOTO: GUIDO KOLLMEIER Auch Benni Stark kommt am 24. Mörz nach Anrath.

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