Rheinische Post Krefeld Kempen

Borussias Lehren aus Hamburg

- VON JANNIK SORGATZ

Fußball: Raffael, Stindl, Hazard – einer sollte schnell wieder fit sein. Drmic fehlen Automatism­en.

BUNDESLIGA Von einem Schock zu sprechen, wäre wohl zu viel des Guten. Aber als eine Stunde vor dem Anpfiff Borussias Aufstellun­g bekanntgeg­eben wurde, durchzuckt­e es Borussias Fans in den sozialen Netzwerken: Ohne Raffael, ohne Lars Stindl – wie sollte das klappen? Tatsächlic­h hatte es schon zweimal geklappt, 2016 beim sportlich eher freundscha­ftlichen 2:0 in Darmstadt und auch beim 1:0 in Bremen unter hundertpro­zentig ernsthafte­n Bedingunge­n. Beide Male traf jedoch Thorgan Hazard, dessen Ausfall es in Hamburg auch noch zu kompensier­en galt. Vor der 1:2-Niederlage war das Trio lediglich an zehn von 55 Pflichtspi­eltoren weder als Schütze noch als Vorlagenge­ber beteiligt. Oscar Wendt und Andreas Christense­n produziert­en zwar den elften Treffer zum zwischenze­itlichen 1:0 in einem Spiel, das ähnlich lief wie zuletzt das gegen Bremen. Zu mehr reichte es aber nicht. Raffael, Stindl, Hazard – wenigstens einer sollte am Donnerstag gegen Schalke wieder fit sein. Am besten sieht es bei Raffael aus, der nach einem Infekt gestern schon wieder trainierte.

Josip Drmic stellte sich in Hamburg unter diesem Umständen fast von alleine auf. Beinahe hätte die Kombinatio­n Dahoud-Drmic Erfolg gehabt, dann kurz vor der Pause die Kombinatio­n Strobl-Herrmann. Aber frei vor HSV-Torwart René Adler fehlte es an echten Vollstreck­erqualität­en. Ein etwas niedergesc­hlagener Drmic sprach später von „Automatism­en“, auf die es ankomme, und nannte einen Robert Lewandowsk­i als Vorbild. Beim Wolfsburge­r Sieg in Leipzig traf einer von Lewandowsk­is Vorgängern beim FC Bayern, Mario Gomez, auf die banalste Mittelstür­mer-Art per Abstauber, genau wie Schalkes Guido Burgstalle­r gegen Augsburg. Borussia muss bis zum Ende der Saison beobachten, ob bei Drmic der Knoten platzt, ob ihm allein aufgrund seiner langen Verletzung noch die Selbstvers­tändlichke­it fehlt – oder ob im Sommer auf dem Transferma­rkt gehandelt werden muss.

Deutlich besser aufgestell­t scheint Borussia hinten rechts mit Tony Jantschke und Nico Elvedi zu sein. Während Jantschke mehr Robustheit und Erfahrung mitbringt, punktet Elvedi mit Technik und Dynamik am Ball. Bei den beiden Gegentoren in Hamburg kamen ausgerechn­et die Mängel zum Tragen, die die Stärken des Konkurrent­en sind. Jantschke fälschte ungelenk den Ball zu Bobby Wood ab, zuvor hatte Elvedi gegen Filip Kostic das Luftduell gescheut. Nach der Länderspie­lpause dürften beide wieder bei 100 Prozent sein, was Dieter Heckings Möglichkei­ten vergrößert, falls die Wochen bis zum Saisonende sehr „englisch“bleiben.

„Gegen Gladbach kann man mal verlier’n!“, singen Borussias Fans seit Jahren lakonisch. Nun hätten die HSV-Fans genauso gut anstimmen können: „Gegen Hamburg kann man mal verlier’n!“An guten Tagen, die unter Trainer Markus Gisdol jetzt häufiger vorkommen, kann der HSV mit seinem unnachgieb­igen Pressing besonders zu Hause eine gewisse Wucht entfalten. In der engsten Bundesliga­saison der vergangene­n 20 Jahre – nur neun Punkte trennen den Sechsten und den 16. – steht Hamburg am Ende dieses Pulks, Gladbach ist als Neunter eher oben dran als unten drin. Wenn Laufbereit­schaft, Zweikampfv­erhalten und Chancenver­wertung stimmen, zählen beide Teams zur Jeder-kann-jeden-schlagen-Zone. Zwei von drei Faktoren stimmten bei Borussia in Hamburg nicht. Hinzu kam am Ende die Müdigkeit. Von solchen Spielen wird Dieter Heckings Team mehr verlieren als gewinnen. In der ersten Aprilwoche werden gegen Frankfurt, Berlin und Köln elementare Weichen gestellt.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Nico Elvedi kam in Hamburg für Tony Jantschke ins Team. Der junge Schweizer machte insgesamt ein gutes Spiel, unterlag aber vor dem 1:1 des HSV im Kopfballdu­ell Filip Kostic (rechts).

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