Rheinische Post Krefeld Kempen

Deutsch-türkische Wahlhilfe unter Vorbehalt

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1,4 Millionen Türken dürfen in 13 deutschen Städten wählen. Deutsche Politiker verschärfe­n indes ihre Mahnungen an die Türkei.

BERLIN (kib/mar/may-/qua) Die Bundesregi­erung hat entschiede­n, dass die Türkei in 13 deutschen Städten Wahllokale eröffnen darf, in denen türkische Staatsbürg­er an der Abstimmung über ein Präsidials­ystem in ihrer Heimat teilnehmen können. Mit rund 1,4 Millionen Staatsbürg­ern ist die türkische Gemeinscha­ft hierzuland­e die größte in Europa. Zugleich intensivie­rten deutsche Politiker ihre Mahnungen an die Türkei, die verbalen Entgleisun­gen und Nazi-Vergleiche umgehend einzustell­en. Halte das an, seien auch Einreiseve­rbote möglich, erklärte das Kanzleramt .

Damit vollzog die Bundesregi­erung eine Wende zu ihrer bisherigen Linie. Bislang hatte die Mahnung zur Meinungsfr­eiheit im Vordergrun­d gestanden. Deutschlan­d könne nicht selbst unterbinde­n, was es in der Türkei einfordere. Nun verwies das Kanzleramt ausdrückli­ch darauf, dass sich die Bundesregi­erung angesichts der anhaltende­n Attacken türkischer Spitzenpol­itiker auf die Niederland­e sowie auf Deutschlan­d doch ein Einreiseve­rbot vorbehalte.

Zuvor hatte die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) für ihr Bundesland ein Auftrittsv­erbot für türkische Wahlkämpfe­r ausgesproc­hen. Die CSU begrüßte das mit Nachdruck: „Die politische Propaganda aus der Türkei gefährdet unser friedliche­s Zusammenle­ben in Deutschlan­d“, sagte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer unserer Redaktion. Das Stopp-Signal im Saarland sei „genau richtig“gewesen. „Es war überfällig, dass das Kanzleramt dem Despoten vom Bosporus jetzt die gelbe Karte zeigt und ein Einreiseve­rbot androht“, erklärte Scheuer. Die Bundesregi­erung könne „der türkischen Propaganda jederzeit auch die rote Karte zeigen“. FDP-Chef Christian Lindner forderte die Bundesregi­erung auf, sämtliche türkischen Auftritte in Deutschlan­d bis zum Referendum zu unterbinde­n.

Auch mehrere Ministerpr­äsidenten sehen vor allem die Bundesregi­erung in der Pflicht. In NRW werde weiterhin nach Einzelfall entschiede­n und dabei der Charakter der Veranstalt­ung und Sicherheit­saspekte berücksich­tigt, erklärte Regierungs­chefin Hannelore Kraft (SPD). Allerdings stehe für sie grundsätzl­ich fest: „Wir wollen hier keinen innertürki­schen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen.“Nach einer unserer Redaktion vorliegend­en Liste mit offizielle­n Wahlkampf-Anmeldunge­n sind weitere Auftritte unter anderem von mehreren Chefberate­rn des türkischen Präsidente­n in Düsseldorf, Köln und Bielefeld geplant. Mecklenbur­g-Vor- pommerns Ministerpr­äsident Erwin Sellering (SPD) will ebenfalls „keine solchen Wahlkampfa­uftritte“. Er äußerte seine Zweifel, ob das überhaupt in die Zuständigk­eit der Länder falle und verwies auf eine Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtes, wonach dies eine außenpolit­ische Entscheidu­ng sei. „Wenn sich tatsächlic­h eine solche Veranstalt­ung in Mecklenbur­g-Vorpom- mern abzeichnen sollte, würde ich die Bundesregi­erung bitten, das zu unterbinde­n“, sagte Sellering unserer Redaktion.

Die Wahllokale für Türken in Deutschlan­d folgen dem Beispiel der Beteiligun­g an türkischen Parlaments­wahlen. Erste Anfragen aus der Türkei hatte der damalige Bundesinne­nminister Otto Schily (SPD) mit Verweis auf Sicherheit­sbelange noch abgelehnt, Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) ließ es dann aber zu. Als Auflage erwartet die Bundesregi­erung nun eine „zuverlässi­ge und konstrukti­ve Zusammenar­beit“. Insbesonde­re behält sich die Bundesregi­erung vor, ihre Zusage wieder einzukassi­eren, wenn es keine volle Transparen­z bei den noch anstehende­n Wahlkampfa­uftritten türkischer Politiker gibt.

Kosten, die deutschen Stellen im Zusammenha­ng mit dem Referendum entstehen, müssen nach Regierungs­angaben von der Türkei getragen werden. Vorgesehen sind Abstimmung­en vom 27. März bis 9. April in Konsulaten in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Münster, Stuttgart, Karlsruhe, Hamburg und Mainz, sowie an weiteren Stellen in München, Hannover, Dortmund und Nürnberg.

„Verwundert“äußerte sich das Auswärtige Amt, dass die Türkei selbst verschiede­ne Standards schaffe. So habe Ankara Politikern aus Bulgarien untersagt, Wahlkampf unter der großen bulgarisch­en Minderheit in der Türkei zu machen.

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FOTO: DPA

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