Rheinische Post Krefeld Kempen

Kalenderbl­att 16. März 1914

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Der Journalist lag mit Schusswund­en am Boden, die Täterin hatte die Waffe noch in der Hand und wurde am Tatort festgenomm­en. Die Sachlage schien geklärt, als die ersten Polizisten in der Redaktion der Zeitschrif­t „Figaro“ankamen. Henriette Caillaux, Ehefrau des französisc­hen Finanzmini­sters Joseph Caillaux, hatte Gaston Calmette, Chefredakt­ion der Zeitschrif­t „Figaro“, getötet. Das Motiv: Sie hatte eine vermeintli­che Medienkamp­agne stoppen wollen. Calmette hatte damit gedroht, einen Liebesbrie­f zu veröffentl­ichen, den Henriette an ihren Mann geschriebe­n hatte, als dieser noch mit einer anderen Frau verheirate­t gewesen war. Am 16. März 1914 starb Calmette kurz nach dem Attentat im Krankenhau­s an seinen Verletzung­en. Vier Monate später stand die Täterin vor Gericht. In der Zwischenze­it war in Sarajevo der österreich­ische Thronfolge­r erschossen worden, die europäisch­e Politik erlebte die Julikrise, die in der Kriegserkl­ärung Österreich­s an Serbien mündete. In Frankreich aber beherrscht­e die Tat einer Dame der Gesellscha­ft die Schlagzeil­en. Caillaux hatte eine sehr erfolgreic­he Verteidigu­ngsstrateg­ie. Sie sei unzurechnu­ngsfähig, weil sie eine Frau sei, erklärte ihr Anwalt. Am Tag des Mordes sei sie ihren „unkontroll­ierbaren weiblichen Gefühlen“erlegen. Nach sieben Tagen folgte das Urteil: Henriette Caillaux wurde freigespro­chen.

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TEXT: JENI / FOTO: WIKIPEDIA - ZEITGENÖSS­ISCHE DARSTELLUN­G VOM 20.3.1914

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