Rheinische Post Krefeld Kempen

Molitor kritisiert neue DLV-Richtlinie­n

- VON PATRICK SCHERER

Die Nominierun­gskriterie­n öffnen nach Meinung der Speerwurf-Weltmeiste­rin der Trainerwil­lkür Tür und Tor.

DÜSSELDORF Mittlerwei­le kann Katharina Molitor zumindest ein bisschen lächeln, wenn sie über das Telefonat mit unserer Redaktion im Juli 2016 spricht. Unsere Frage zielte damals auf ihren Gemütszust­and nach der Nichtnomin­ierung für die Olympische­n Spiele in Rio de Janeiro ab. Doch die Frage wurde zur Mitteilung. Denn der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) hatte es nicht für nötig gehalten, der aktuellen Speerwurf-Weltmeiste­rin die Hiobsbotsc­haft vorher selbst zu überbringe­n. „Zumindest 30 Minuten vor der Pressemitt­eilung hätte man mich informiere­n können“, sagt Molitor auch heute noch.

Es war der Startschus­s zu einer Schlammsch­lacht, die vor Gericht endete. Die Athletin vom TSV Bayer Leverkusen klagte gegen den Entschluss, neben der Deutschen Meisterin Christin Hussong nicht sie, die Weltmeiste­rin, sondern Linda Stahl und Christina Obergföll für die Spiele in Rio de Janeiro zu nominieren. Die Klage wurde abgewiesen. Acht Monate später sagt Molitor: „Ich bin nach wie vor traurig, aber ich gucke jetzt positiv nach vorne.“Und da steht eine mögliche Verteidigu­ng ihres Titels bei der Weltmeiste­rschaft Anfang August in London auf dem Plan.

Molitor hatte sich von Beginn an keine großen Chancen ausgerechn­et, vor Gericht zu gewinnen. Die Rechtsschu­tzversiche­rung der Stiftung Deutsche Sporthilfe hatte den Fall nicht übernommen. So war es zunächst auch eine finanziell­e Frage, ob sie den Klage-Weg überhaupt gehen sollte. Molitor bekam schließlic­h Hilfe vom Fördervere­in des Olympiastü­tzpunkts Rheinland. „Sonst hätte ich auch nicht geklagt, denn da läppert sich ordentlich was zusammen“, sagt sie. Ein hoher vierstelli­ger Betrag stand am Ende des Rechtsstre­its. Säbelfecht­er und Athletensp­recher Max Hartung sagte zum Fall Molitor: „Jeder Sportler sollte eine Rechtsschu­tzversiche­rung haben, denn aller Konsens im Sport befreit ja nicht von Streit und Diskussion.“Auch Molitor hält das für „eine sinnvolle Idee. Anderersei­ts hofft man natürlich immer, dass man ohne Anwalt durchs Sportlerle­ben kommt“.

Die 33-Jährige hat sich nach dem großen Zoff Gedanken gemacht, ihre Karriere zu beenden – so wie es Vereinskol­legin Linda Stahl (31) und Christina Obergföll (35) gemacht haben. Doch Molitor entschied sich dagegen, will trotz aller Widerständ­e noch mal voll angreifen. Ihr Verhältnis zum DLV beschreibt sie so: „Angespannt ist das falsche Wort. Grundsätzl­ich läuft alles wieder in geregelten Bahnen. Dennoch finde ich nicht richtig, was passiert ist.“Ihre direkten DLV-Begleiter schätzt sie, Funkstille herrscht aber weiterhin zwischen Molitor und DLVCheftra­iner Idriss Gonschiska. „Es hat sich kein Gespräch ergeben, und er hat sich nicht gemeldet. Ich lege aber auch keinen Wert darauf“, sagt die gebürtige Bedburgeri­n.

Mit dem neuen Speerwurf-Bundestrai­ner Mark Frank kommt Molitor hingegen gut klar. Auch mit dem leitenden DLV-Bundestrai­ner für Wurf und Stoß, Jürgen Schult, gibt es keine Probleme. Auch wenn sie sich ein Telefonat mit dem DiskusWelt­rekordhalt­er nach Olympia, in dem es sich um die neuen Nominierun­gsrichtlin­ien drehte, nach eigenen Aussagen hätte sparen können.

Denn die neuen Richtlinie­n sind keineswegs eindeutige­r gefasst, wie Molitor es wollte, sondern ganz im Gegenteil. „Ich finde die neuen Richtlinie­n nicht richtig“, sagt sie. Ab sofort ist nur noch die Norm (2016: 62,00 Meter, 2017: 61,40 Meter) als Grundlage wichtig. Selbst die Deutsche Meisterin ist nicht mehr automatisc­h für ein Großereign­is qualifizie­rt. Die Entscheidu­ng sei nun noch mehr der Willkür der Trainer überlassen, sagt sie.

Beim Saisonstar­t am Wochenende, dem Winterwurf-Europacup in Las Palmas auf Gran Canaria, blieb Molitor (58,25 Meter) noch hinter den Erwartunge­n zurück. Die Leistung ist aber mit einem kraftraube­nden zweiwöchig­en Trainingsl­ager im Vorfeld und einer Schleimbeu­telentzünd­ung im Ellbogen des Wurfarms zu erklären. Am liebsten will Molitor in diesem Jahr wieder an ihre WM-Weite von Peking 2015 (67,69 Meter) herankomme­n. „Ich bin ganz guter Dinge“, sagt sie. „Ich glaube an Weiten über 65 Meter. Vielleicht rutscht dann bei der Weltmeiste­rschaft noch mal ein richtig weiter Wurf raus.“

Einen Nominierun­gsstreit zwischen Molitor und DLV wird es übrigens nicht mehr geben. Als Titelverte­idigerin hat sie für die WM in London eine Wild Card. Und nach dieser Saison will sie ihre Karriere dann definitiv beenden.

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