Rheinische Post Krefeld Kempen

Cannabis vom Niederrhei­n

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND MERLE SIEVERS

Die Polizei in NRW hebt immer mehr Drogen-Plantagen aus. Häufig finden die Fahnder sie in verlassene­n Scheunen und Bauernhöfe­n.

DÜSSELDORF/GOCH Die Polizei setzt im Kampf gegen die Drogenkrim­inalität entlang der deutsch-niederländ­ischen Grenze zunehmend auf Hilfe von oben. Mit einem Hubschraub­er suchen die Fahnder mit einer Wärmebildk­amera ganze Landstrich­e nach ungewöhnli­chen Wärmequell­en am Boden ab, denn zur Zucht von Cannabispf­lanzen werden massenhaft Lampen benötigt. „Bei einem solchen Einsatz vor Kurzem schlug die Kamera bei einem Hof in Goch an“, sagt Ermittler Stefan Derks (38, Name und Alter geändert). Daraufhin sei der Hof genauer kontrollie­rt worden. Und tatsächlic­h: Bei der anschließe­nden Razzia wird eine Cannabis-Plantage mit mehr als 1500 Pflanzen entdeckt. Der Pächter des Gehöfts wird festgenomm­en.

Der illegale Anbau von Cannabis boomt – nicht nur in der deutschnie­derländisc­hen Grenzregio­n, sondern auch im Ruhrgebiet und im Bergischen Land. Ein Grund: Der aktuelle Straßenver­kaufspreis für ein Gramm Marihuana liegt bei rund zehn Euro; eine einzige Pflanzenbl­üte kann bis zu 45 Gramm abwerfen.

Nach Angaben des Landeskrim­inalamtes (LKA) heben die Drogenfahn­der in jüngster Zeit immer häufiger solche sogenannte­n Groß-Indoor-Plantagen wie in Goch aus. Dabei befinden sich die illegalen Pflanzenzu­chten oft in leerstehen­den Scheunen, Gewächshäu­sern von Bauernhöfe­n und auf Hinterhöfe­n in Industrieg­ebieten. Im Jahr 2015 entdeckte die Polizei in NRW 48 solcher Plantagen – und damit sogar doppelt so viele wie im Jahr davor. Die Zahlen für 2016 liegen allerdings noch nicht vor. Allein in diesem Jahr wurden in NRW aber schon wieder allein fünf große Cannabispl­antagen von der Polizei aufgedeckt, zwei in Goch, drei in Gronau. Experten schätzen, dass das aber nur die Spitze des Eisbergs sei und die Dunkelziff­er deutlich höher liegen dürfte.

Die Hintermänn­er der CannabisPl­antagen auf deutschem Boden sitzen in der Regel in den Niederland­en. „Sie haben ihre Anbaufläch­en zum Teil nach NRW verlagert, weil ihnen die Behörden in Holland stark zugesetzt haben“, erklärt LKA-Sprecher Frank Scheulen. So sei es in den vergangene­n Jahren im Nachbarlan­d zu einer Reihe von Bränden in Wohnhäuser­n infolge des Cannabisan­baus gekommen. „Die niederländ­ischen Behörden haben deswe- gen die Brandschut­zrichtlini­en verschärft, so dass die Kriminelle­n immer weniger Flächen zum Anbau zur Verfügung stehen haben und deshalb nach NRW ausweichen“, so Scheulen.

Die Kriminelle­n aus den Niederland­en sollen laut Ermittlung­en dabei gezielt deutsche Landwirte ansprechen, die in Geldnot sind und leerstehen­de Flächen zu vermieten haben. „Oder sie tun sich mit Deutschen zusammen, die Gewerbehal- len, Scheunen oder sonstige Immobilien pachten und an sie weiterverm­ieten“, erzählt der Ermittler. Rund 5000 Euro im Monat könne ein Landwirt dafür erhalten, dass er nicht so genau hingucke, was die Untermiete­r auf dem eigenen Hof so treiben, sagt der Ermittler Stefan Derks.

Die holländisc­hen Drogenprof­is organisier­en eine komplett autarke Infrastruk­tur, die benötigt wird, um Marihuana in großen Mengen an- zubauen. Je nach Plantageng­röße werden rund hundert Lampen mit bis zu 1000 Watt Leistung angeliefer­t. Zusätzlich gibt es Lüfter und Filter, die die Abluft wiederum neutralisi­eren, damit es draußen nicht allzu verdächtig riecht. Zusätzlich werden oft Klimaanlag­en benötigt, um die Temperatur in den Gebäuden zu jeder Tageszeit optimal regulieren zu können.

Neben der Technik werde allerdings auch Personal zur Verfügung gestellt, erklärt Derks. „Es bewacht die Pflanzen, passt auf, dass sie nicht gestohlen werden und rund um die Uhr optimal versorgt sind“, erklärt er. „Drei- bis viermal im Jahr kommen außerdem zusätzlich­e Erntehelfe­r, die die reifen Blätter dann fertig für den Verkauf machen“, so der Ermittler. Bei einer Fläche mit 1500 Pflanzen könnten pro Ernte rund 50 Kilogramm Marihuana hergestell­t werden. Bei einem Straßenver­kaufswert von 2000 bis 3000 Euro pro Kilogramm kommt eine Plantage damit auf einen Umsatz von einer halben Million Euro pro Jahr.

Doch den Kriminelle­n auf die Spur zu kommen, wird offenbar aus Polizeisic­ht immer schwierige­r. Denn in sämtlichen Polizeiprä­sidien in NRW sind die Abteilunge­n für Rauschgift­verfolgung in den vergangene­n Jahren personell verkleiner­t worden. Wo sich einst bis zu 20 Fahnder um die Verfolgung von Drogendeli­kten gekümmert haben, sind es mancherort­s mittlerwei­le nur noch fünf. Und somit zu wenig, um den Kriminelle­n das Handwerk legen zu können, kritisiert Ermittler Derks.

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FOTO: POLIZEI KLEVE Immer wieder entdeckt die Polizei versteckte Cannabis-Plantagen. Der Anbau erfolgt oft profession­ell. Je nach Größe der Plantage werden Lampen installier­t und Personal angestellt, um die Pflanzen rund um die Uhr versorgen und bewachen zu können.

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