Rheinische Post Krefeld Kempen

Deutschlan­ds größte Kapitalver­nichter

- VON MICHAEL BRAUN

Die Aktionärsv­ereinigung DSW hat die Liste der Unternehme­n zusammenge­stellt, deren Börsenwert in den vergangene­n Jahren am stärksten schrumpfte. Zu den 50 Aktien auf der Liste gehören die großer Banken und Versorger.

FRANKFURT Manche nennen sie „Todesliste“. Aber so martialisc­h meint die Aktionärsv­ereinigung DSW ihre „Watchlist“gar nicht. Sie listet jährlich auf, welches börsennoti­erte Unternehme­n am meisten Aktionärsv­ermögen verbrannt hat. Wieder gehört Air Berlin dazu. Die Fluggesell­schaft hat sich gar von Rang 17 (2015) auf in diesem Jahr Rang fünf der größten Kapitalver­nichter „vorgearbei­tet“, also verschlech­tert. Die Airline hat voriges Jahr rund ein Drittel ihres Kurswertes eingebüßt, binnen der vergangene­n drei Jahre fast doppelt so viel.

Die „rote Laterne“trägt der Maschinenb­auer Singulus aus Kahl am Main (siehe Tabelle). Ihm hat die technische Entwicklun­g zugesetzt. Singulus hatte zunächst Maschinen gebaut, auf denen DVDs und CDs hergestell­t wurden, aber diese Datenträge­r haben sich weitgehend überlebt. „Jetzt ist man sehr stark im Solarberei­ch unterwegs“, erklärte Marc Tüngler, der Hauptgesch­äftsführer der DSW. Der spüre aber starke Konkurrenz aus China. „Es krankt dort im Geschäftsm­odell oder in den Absatzmärk­ten“, so Tüngler. Das schlage auf Geschäftsz­ahlen und Kurse durch.

Die ganz jungen börsennoti­erten Unternehme­n nimmt die DSW nicht in ihre Auswahllis­te des Schreckens auf. Da ist erstens das Risiko, zu scheitern, noch sehr groß, und zweitens würden die Kleinen womöglich den Blick auf hohe Verluste großer börsennoti­erter Unternehme­n statistisc­h verdecken. Denn auch etablierte Aktiengese­llschaften zehren stark am Vermögen der Anleger. Voriges Jahr waren unter den Dax-Werten wieder große Verlierer wie die Energiekon­zerne RWE und Eon, dazu die Deutsche Bank und die Commerzban­k. Bis zu einem knappen Viertel haben sie 2016 an Börsenwert verloren, bis zu 62,5 Prozent binnen drei Jahren.

Sie alle standen auch schon vor drei Jahren auf der Liste der 50 größ- ten Kapitalver­nichter. Ein schlechtes Zeichen. „Wer öfter, über viele Jahre, in dieser Liste auftaucht, der hat wirklich ein massives Problem“, so Tüngler. Beispiel Banken: „Die Finanzdien­stleister stöhnen unter der Regulierun­g. Und gleichzeit­ig haben wir keine Zinsen. Das Ge- schäftsmod­ell wackelt, muss man ganz klar sagen.“

Gleichzeit­ig hat die DSW darauf hingewiese­n, wo und wie sie bei Hauptversa­mmlungen den Finger in die Wunde legt. Über Sonderprüf­ungen beispielsw­eise. Bei der Deutschen Bank läuft eine solche Für die DSW-Watchlist werden die Kursentwic­klungen von Unternehme­n in drei Zeiträumen ausgewerte­t und gewichtet zusammenge­fasst (je länger der Zeitraum, desto höher das Gewicht). Kursentwic­klung (in Prozent) 1 Jahr 3 Jahre 5 Jahre -90,2 -44,5 -40,9 -39,2 -33,9 -28,6 -15,2 -24,9 -47,5 -37,2 -98,7 -95,7 -88,4 -72,5 -63,4 -66,5 -75,4 -70,5 -56,9 -54,5 -98,6 -93,2 -81,0 -71,2 -75,8 -74,4 -70,8 -67,9 -65,6 -67,3 schon, weil die DSW es leid war, zuzusehen, wie Milliarde um Milliarde für Strafzahlu­ngen abfloss statt als Ausschüttu­ng zu den Aktionären. Bei VW ist sie beantragt. Und nachdem nun bekannt wurde, dass die Staatsanwa­ltschaft auch die Räume der US-Kanzlei hat durchsuche­n lassen, die im Auftrag von VW den Dieselskan­dal untersucht, fühlt sich die DSW bestätigt. „Offensicht­lich misstraut die Staatsanwa­ltschaft ja auch den eigenen Aufklärung­sbemühunge­n von VW“, sagte Klaus Nieding, der Vizepräsid­ent der DSW. „Insofern ist es sicherlich an der Zeit, dass unsere Sonderprüf­ung da durchkommt.“

Vorstand und Aufsichtsr­at von Daimler sollen nächste Woche erklären, warum die Strafen für Preisabspr­achen im aufgefloge­nen LkwKartell ohne große Diskussion vom Unternehme­n, also von den Aktionären, bezahlt werden sollen. Und warum niemand auf die Idee komme, den Vorstand in Haftung zu nehmen.

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