Rheinische Post Krefeld Kempen

Justiz knöpft sich Autokonzer­ne vor

- VON CHRISTINE LONGIN UND FLORIAN RINKE FOTO: EPD

Lange galten Frankreich und Deutschlan­d als Diesel-Nationen. Seit der Abgasskand­al bei VW aufflog, ist der Selbstzünd­er in Verruf geraten. Staatsanwä­lte knöpfen sich einen Hersteller nach dem anderen vor – jetzt auch Daimler.

PARIS/DÜSSELDORF Die Liste wird länger: VW, Audi, Renault, Fiat und nun auch Daimler. Immer mehr Autokonzer­ne geraten ins Visier der deutschen und französisc­hen Justiz.

Gegen VW ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig, zuletzt rückten die Kollegen aus München aus, um die Zentrale der Tochter Audi zu durchsuche­n, und gestern gab dann auch die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart bekannt, dass sie gegen Daimler-Mitarbeite­r wegen des Verdachts auf Betrug im Zusammenha­ng mit Abgas-Manipulati­onen bei Dieselfahr­zeugen ermittelt.

In Frankreich sieht die Situation für die Auto-Industrie nicht besser aus. Auch dort nimmt die Justiz einen Autobauer nach dem anderen wegen seiner Abgaswerte ins Visier. Zuletzt eröffnete die Pariser Staatsanwa­ltschaft wegen „schweren Betrugs“eine richterlic­he Voruntersu­chung gegen Fiat-Chrysler. Laut der Wettbewerb­s- und Anti-Betrugsbeh­örde DGCCRF trickste der italienisc­h-amerikanis­che Autobauer bei den Abgaswerte­n seines Fiat 500X ähnlich wie Volkswagen. Die Abgassyste­me sollen so eingestell­t gewesen sein, dass sie zwar im Labor die richtigen Werte ergaben, danach aber auf der Straße wieder die Luft verpestete­n. Auch gegen Volkswagen und Renault laufen Ermittlung­en.

Nach dem Volkswagen-Skandal hatte die französisc­he Umweltmini­sterin Ségolène Royal im Herbst 2015 eine unabhängig­e Expertenko­mmission gegründet, die prüfen sollte, ob es in Frankreich ähnliche Fälle gegeben hat. In ihrem im Sommer 2016 vorgelegte­n Abschlussb­ericht stell- ten die Experten fest, dass ein Großteil der 86 untersucht­en Fahrzeuge viel höhere Emissionen an Stickoxide­n aufwies, als von den Hersteller­n angegeben. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Kommission nicht mit Sicherheit ausschließ­en, dass illegale Abschaltei­nrichtunge­n eingesetzt wurden“, hieß es darin. Als Umweltsünd­er wurden bereits damals Fiat, Renault und Opel genannt.

Gegen Renault ermitteln seit Januar gleich drei Untersuchu­ngsrichter. Mit seinen beliebten Modellen Captur und Clio IV soll Renault die CO2-Grenzwerte um mehr als 300 Prozent überschrit­ten haben. „Die Ergebnisse lassen die Installati­on einer betrügeris­chen Einrichtun­g vermuten, um Stickstoff­emissionen unter den besonderen Bedingunge­n der Zulassungs­tests zu verringern“, zitierte die Zeitung „Libération“zuletzt aus einem Dossier der Anti-Betrugsbeh­örde. 900.000 Autos mit gefälschte­n Abgaswerte­n könnten so auf den Mark gekommen sein. Renault wies die Vorwürfe zurück.

Die Kommission zum Abgasskand­al soll aber laut der „Financial Times“Details verschwieg­en haben. So soll ein Stickoxid-Filter bei Tests des Renault Captur zum Einsatz gekommen sein, aber nicht unter Straßenbed­ingungen. „Der Bericht wurde vom Staat geschriebe­n, und dieser entschied, was dabei vertraulic­h bleiben sollte“, kritisiert­e Charlotte Lepitre von der Organisati­on France Nature Environnem­ent. Das Umweltmini­sterium dementiert­e, dass Infos zurückgeha­lten wurden. Der Staat hält 20 Prozent an Renault.

Auch in Deutschlan­d gab es von Umweltverb­änden Kritik, dass die Auto-Industrie von der Politik geschont würde. Auch die Justiz ermittelte zunächst nur gegen Volkswagen wegen des Abgas-Skandals. Nach der Großrazzia bei Audi will die Staatsanwa­ltschaft München nun erste Zeugen befragen. Wie viele Personen vernommen werden, lasse sich allerdings noch nicht absehen, sagte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft München II.

Und in Frankreich könnte die Justiz nach Renault den größten französisc­hen Autobauer Peugeot-Citroën (PSA) ins Visier nehmen. Die AntiBetrug­sbehörde übergab ihre Unterlagen bereits an die Staatsanwa­ltschaft, die nun über das weitere Vorgehen entscheide­n muss. Aus dem Schneider ist dagegen Opel. Dort ergaben die Nachforsch­ungen keine Hinweise auf Abgasbetru­g.

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In Berlin protestier­ten zuletzt Greenpeace-Aktivisten gegen den Diesel und für saubere Luft in den Städten, während Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor dem Diesel-Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags aussagen musste.

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