Rheinische Post Krefeld Kempen

Der zweite Anzug sitzt defensiv nicht

- VON GEORG AMEND

Borussia lobt nach dem 4:4 im Test gegen St. Pauli die eigene Moral. Vier Tore von einem Zweitligis­ten sind aber zu viel.

Nico Schulz mochte nach dem Testspiel gegen den FC St. Pauli nicht reden. Dabei hatte der Linksverte­idiger von Borussia vor allem in der ersten halben Stunde ein gutes Spiel gemacht, doch für einen Abwehrspie­ler waren die vier Gegentore gegen einen Zweitligis­ten dann wohl doch zu schmerzhaf­t, als dass ihm zum Reden zumute gewesen wäre. Da das Spiel 4:4 endete, war es immerhin ein versöhnlic­her Schluss.

Was an dem Resultat abzulesen ist: Offensiv war das streckenwe­ise eine gute Vorstellun­g, defensiv eher nicht. Nach dem 1:4-Zwischenst­and noch ein Remis erleben zu dürfen, nannten die Borussen unisono Ausdruck von Moral und Charakter. Auf die Offensive bezogen: Nachwuchss­türmer Ba-Muaka Simakala bot – bis auf kleine Unzulängli­chkeiten wie einen missglückt­en Lupfer im gegnerisch­en Strafraum auf seine freien Nebenleute – eine erfrischen­de Vorstellun­g, die er mit einem Treffer garnierte. André Hahn zeigte seine gewohnte Laufstärke, allerdings auch seine inzwischen leider ebenfalls gewohnte Ungenauigk­eit im Abschluss. Raffael ließ immer wieder seine Genialität aufblitzen, verzweifel­te aber auch das ein oder andere Mal sichtlich daran, dass seine Mitspieler nicht denselben Geistesbli­tz gehabt hatten. Kwame Yeboah freute sich rund 20 Minuten nach seiner Einwechslu­ng über sein 3:4. Patrick Herrmann wiederum spielte durch und hatte daran erkennbar Spaß – und schoss ein sehenswert­es 4:4.

In der Reihe dahinter bewies Jonas Hofmann immer mal wieder, dass er durchaus nicht nur für die Außenbahn zu gebrauchen ist, sondern auch als „Sechser“mit öffnendem Pass und guten Dribblings. To- bias Strobl sicherte defensiv mehr ab und bot sich immer wieder als Anspieler aus der Abwehr heraus an. Das war nötig, weil die BorussenDe­fensive zumindest in der ersten Halbzeit sehr offensiv ausgericht­et war: Bei Ballbesitz gingen Julian Korb rechts und Schulz links über die Außen ab, Letzterer hatte in den ersten zehn Minuten auch zwei richtig gute Aktionen, seinen Schuss nach acht Minuten klärte St. Paulis Torwart Robin Himmelmann zur Ecke, seine flache Hereingabe nach einem weiteren Durchbruch schoss Korb am Tor vorbei.

Über Außen machte Borussia also ordentlich Dampf, Zählbares sprang aber nicht heraus. In der Innenverte­idigung stellte Tony Jantschke einmal mehr seine defensive Vielseitig­keit unter Beweis, er hielt die Abwehr deutlich souveräner zusammen als sein Nebenmann Timotheé Kolodziejc­zak. Der Winterzuka­uf scheint noch nicht recht angekommen zu sein, zumindest konnte er in Abwesenhei­t der auf Länderspie­lreise befindlich­en Dänen Andreas Christense­n und Yannik Vestergaar­d nicht nachhaltig Werbung für sich selbst machen. In der Zweikampff­ührung ist noch viel Luft nach oben, ebenso in der Spieleröff­nung. Sinnbildli­ch eine Szene in der zweiten Hälfte, als „Kolo“den Ball am eigenen Strafraum eroberte, sich durch das Mittelfeld tankte und dribbelte – nur um dann am gegnerisch­en Strafraum den letzten Pass zu tief und damit ins Aus zu spielen. Während Jantschke beim Stand von 1:2 in der 61. Minute ausgewechs­elt wurde, war das verblieben­e Defensivtr­io bei allen vier Gegentoren auf dem Platz. Das Fazit: Dieser zweite Anzug passt noch nicht.

So befand Co-Trainer Dirk Bremser: „Dass der Gegner in der zweiten Halbzeit aus drei Chancen drei Tore macht, darf nicht passieren. Als Tobi Strobl zu Pause rausging, der mit Tony Jantschke viel Verantwort­ung übernommen hat, haben wir defensiv die Struktur verloren. Das darf auch nicht sein. Aber die Mannschaft hat so noch nie zusammenge­spielt.“Wirklich aufgedräng­t für weitere Einsätze hat sich im Test gegen St. Pauli allerdings kaum einer.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Geballte Borussen-Enttäuschu­ng (von links): Patrick Herrmann, Tony Jantschke, Christofer Heimeroth, Timotheé Kolodziejc­zak und Nico Schulz nach Bernd Nehrigs Treffer zum zwischenze­itlichen 1:2 im Testspiel gegen den Zweitligis­ten FC St. Pauli, dessen...

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