Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Diamanten von Nizza
Hat noch jemand Lust auf Champagner?“Philippes Anruf kam, als sich Elena und Sam gerade anschickten, ins Bett zu gehen. „Alles geregelt“, sagte er. „Wir fahren übermorgen rüber. Johnson meinte, seine Frau habe das Ganze für einen verdammt guten Scherz gehalten.“Er verstummte, schien nachzudenken. „Sag mal, Sam, du kennst mehr Engländer als ich. Alle behaupten, Englisch sei eine Weltsprache, aber uns kommt sie eher vor wie ein lokaler Dialekt. Ich meine, wieso ist ein Scherz verdammt? Und was ist daran so komisch? Ils sont bizarres, les anglais.“
„Wohl wahr. Muss am englischen Klima liegen. Das treibt bei den Leuten die seltsamsten Blüten. Hast du dir mal ein Kricketspiel angeschaut? Total merkwürdig.“
Kathy Fitzgerald legte den Hörer beiseite und reckte triumphierend die Faust in die Höhe, bevor sie sich auf die Suche nach ihrem Mann begab. Sie fand ihn mit Frank Dillon im Salon, wo sie Scotch tranken, Zigarren rauchten und CNN eingeschaltet hatten, um gemeinsam den Zustand der Welt zu beklagen. „Fitz! Gute Neuigkeiten!“„Erzähl das CNN, Schätzchen. Die brauchen das.“
„Nein, im Ernst – Coco hat gerade angerufen; sie hat es geschafft, uns alle in diesem tollen Strandhotel in Saint-Tropez unterzubringen. Der Manager ist mit ihr befreundet, deshalb konnte sie ihn überreden, ein paar Gäste umzuquartieren, um Platz für uns zu schaffen. Ist das nicht fantastisch?“
Fitzgerald lächelte über den Enthusiasmus seiner Frau. Dieser Urlaub läuft wie geschmiert, dachte er. Die Hausgäste waren ausnahmslos froh, das Haus morgens zu verlassen und rechtzeitig zu einem Drink vor dem Abendessen zurückzukehren. Eine überaus willkommene Abwechslung, verglichen mit den Hausgästen des vergangenen Jahres, die den ganzen Tag in der Villa gehockt und darauf gewartet hatten, unterhalten zu werden. Schon nach kurzer Zeit hatte ihm vor dem frühmorgendlichen Kreuzverhör – „Was liegt heute an?“– gegraut, als wäre er Chef-Animateur einer Ferienclubanlage. Dieses Jahr war es Gottseidank anders. Dennoch versprach der Ausflug nach Saint-Tropez eine angenehme Abwechslung zu werden.
Er klopfte auf den Sitz neben sich, und Kathy nahm neben ihm auf der Couch Platz, küsste ihn dabei auf die Stirn. Es tat ihm gut, sie so glücklich zu sehen. 19. KAPITEL Sam, der zu einem Anflug von Schuldgefühlen neigte, wenn er zu viel gegessen und zu wenig Sport getrieben hatte, nahm das Lauftraining wieder auf, und zwar jeden Tag. Seine Versuche, Elena als Begleitung zu gewinnen, waren von dieser vehement zurückgewiesen worden; deshalb hatte er Nemo, den Hund von Rebouls Küchenchef, als Weggefährten rekrutiert, die einzige Feinschmecker-Promenadenmischung in der Provence. Jeden Morgen begaben sich die beiden im Laufschritt auf den schmalen Pfad, der zu Elenas und Sams Haus führte, wobei Nemo vorauseilte und Sam ihm hinterher hechelte.
Trotz der frühen Morgenstunde, normalerweise zwischen halb acht und halb neun, waren die Bauarbeiter immer schon zur Stelle, und schwer beschäftigt – mit Hämmern, Bohren, Sägen, Fluchen und Pfeifen. Und auch Claude war bereits vor Ort, der Bauleiter oder chef de chantier, um ihn auf die neuesten Wunderwerke hinzuweisen, die er und seine Truppe seit Sams letztem Besuch vor vierundzwanzig Stunden vollbracht hatten.
Reboul, der von Sam auf dem Laufenden gehalten wurde, staunte, wie schnell die Renovierungsarbeiten voranschritten. „Was glauben diese Leute eigentlich, wo sie sind? Das hier ist die Provence, Herrschaft nochmal! Wenn sie in diesem Tempo weitermachen, ruinieren sie den Ruf der gesamten Region!“
Tatsächlich waren die Renovierungsarbeiten bisher ungewöhnlich reibungslos vorangeschritten: Rund ums Haus waren Terrassen errichtet, Türen und Fenster eingebaut, Küche und Bäder beinahe gebrauchsfertig und die Böden abgeschliffen worden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Maler anrücken konnten. In der Zwischenzeit klapperte Elena wie besessen die Möbelgeschäfte ab.
Sam und Nemo hatten gerade das Haus erreicht, wo sie eine Verschnaufpause einlegten, als Philippe anrief. Mimi und er waren im Begriff, nach Cap d’Antibes aufzubrechen, wo sie den Tag damit verbringen wollten, Fotos vom Anwesen der Johnsons zu machen. „Ich wollte mich nur noch einmal erkundigen, ob es etwas gibt, worauf wir besonders achten sollten“, sagte er.
„Im Moment fällt mir nichts ein, was mir entgangen sein könnte, als wir uns neulich dort umgeschaut haben. Konzentriere dich einfach darauf, Material für deine Reportage zu sammeln.“„ D’accord. Was machst du heute?“„An meiner provençalischen Fortbildung feilen. Francis möchte Monica in die Anfangsgründe des Boule-Spiels einweihen, deshalb werden wir uns heute Abend alle eine Partie in Marseille anschauen. Was meinst du, macht das Spaß?“
„Keine Ahnung. Das kannst du mir ja erzählen, wenn du dir das Spiel angeschaut hast.“
Nach einer Schwimmrunde fühlte sich Sam ausreichend gestärkt für die seit langem aufgeschobene Diskussion mit Elena über die Einrichtung des Hauses. Der Rest des Vormittags verging wie im Nebel, mit einer schier endlosen Abfolge von Stoffmustern und Ausschnitten aus „Schöner-Wohnen“-Zeitschriften. Sams Bauchgefühl in puncto Innendekoration neigte zu gedämpften Tönen und stringenter Schlichtheit; Elena war dagegen eher auf lebhaftere Farben und pittoresken Schnickschnack programmiert. Am Ende einigten sie sich darauf, Coco als Schiedsrichterin zu befragen.
Ein Stück weit entfernt, auf dem Anwesen in Cap d’Antibes, lief der Fototermin wie am Schnürchen. Ms Johnson war, nachdem sie Mimi und Philippe begrüßt hatte, in den Garten verschwunden, bewaffnet mit ihrer Baumschere und diversen Sprühdosen, um gegen alles, was kreuchte und fleuchte, zu Felde zu ziehen, von den Blattläusen bis hin zu den nimmersatten Raupen. JJ wurde in ihrer Abwesenheit das Kommando im Haus übertragen, eindeutig seine Lieblingsposition. Er versuchte, seiner Doppelrolle als Kunde und künstlerischer Leiter gerecht zu werden, wies Mimi auf mögliche Objekte hin, die zu fotografieren sich lohnen könnte, während er Philippe gegenüber die Vorzüge der verschiedenen Gemälde, Möbelstücke und den hohen Standard der handwerklichen Arbeiten im gesamten Haus betonte.
(Fortsetzung folgt)