Rheinische Post Krefeld Kempen

Gedenkproz­ession nach 70 Jahren

- VON HANS KAISER FOTO: PHILIP MÜLLER

In der Nacht des Passionssa­mstags 1947 richteten 800 Männer an der Ritterstra­ße in Alt-Willich ein Holzkreuz mit der Aufschrift „Männer beten um den Frieden“auf. 70 Jahre danach soll jetzt ihre Prozession wiederholt werden.

WILLICH Frühjahr 1947 – in diesem Monat vor 70 Jahren. In Willich bereiten die Menschen sich auf das Osterfest vor. Nach dem Ende des Dritten Reiches hat überall im Rheinland eine Rückbesinn­ung auf religiöse Werte eingesetzt. So haben im Juli 1945 zurückgeke­hrte Kriegsgefa­ngene in Krefeld eine Glaubensbe­wegung speziell für Männer gegründet: das Katholisch­e Männerwerk. Ihnen geht es um eine Neugestalt­ung des Lebens nach christlich­en Grundsätze­n.

Auch in Willich hat sich eine Männerwerk-Gruppe gebildet. Die Bewegung wird vom Aachener Bischof Johannes Joseph van der Velden nach Kräften gefördert. Van der Veldens Wahlspruch lautet: „Im Kreuz ist Heil!“In diesem Sinne ruft das Katholisch­e Männerwerk im ganzen Bistum für das Osterfest 1947 zu einer Kreuz-Wallfahrt auf. Von Krefeld aus sollen heimgekehr­te Soldaten am Karfreitag ein großes Holzkreuz durch alle Dekanate des Bistums Aachen tragen. Die Resonanz ist gewaltig: 200.000 katholisch­e Männer ziehen in den folgenden Monaten durch 120 Pfarreien des Bistums. Natürlich nicht alle auf einmal, sondern in kleinen Gruppen, die sich von Gemeinde zu Gemeinde abwechseln und das Kreuz an die nächsten weitergebe­n. Am 28. September 1947 findet die Schlussfei­er der Kreuzfahrt auf dem Aachener Markt vor rund 30.000 Männern statt.

Aber die Aktion soll flächendec­kend sein. Deshalb appelliert das Männerwerk: Auch die Gemeinden, durch die die große Prozession nicht kommt, sollen teilhaben an der Demonstrat­ion für Frieden und Nächstenli­ebe. In der Nacht des Passionssa­mstags sollen sie eigene Friedenskr­euze errichten. In Willich, meldet damals die Rheinische Post, findet der Aufruf „stärksten Widerhall“. Am Ortsrand an der Ritterstra­ße, wo sich die Schmiede und das Wohnhaus von Peter Willms und seiner Frau Bernhardin­e befinden, soll ein Friedenskr­euz aufgestell­t werden.

Voller Eifer machen sich die Einwohner an die Herstellun­g des Mahnmals. Der Landwirt Hans Binger vom Nauenhof spendet das Eichenholz. Daraus fertigt der Stellmache­rmeister Peter Dohmganz das Kreuz. In den fertig gestellten Querbalken schneidet der Holzschnit­zer Stefan Baer einen kurzen Text: „Männer beten um den Frieden“und die Jahreszahl 1947. Das Trägerfund­ament schließlic­h fertigt der Huf- und Wagenschmi­edemeis- ter Jakob Blassen. Alle arbeiten „für Gotteslohn“, wie sie es nennen.

In der Nacht des Passionssa­mstags, 22. März 1947, haben sich vor der Pfarrkirch­e St. Katharina mehr als 800 Männer versammelt. Viele von ihnen sind kriegsvers­ehrt. Dem einen hängt ein leerer Ärmel von der Schulter, andere humpeln an Krücken. Um 23 Uhr formieren sie sich zu einem langen Prozession­szug. An seiner Spitze tragen vier von ihnen an Handgriffe­n das fünf Meter hohe Kreuz, dahinter halten zwei es mit Stützen aufrecht. Betend und singend zieht die Männerproz­ession unter Führung der Pfarrgeist­lichkeit zur Ecke Ritterstra­ße/Neusser Straße. Hier wird das sieben Zentner schwere Mahnmal unter andächtige­n Gebeten in den Boden gesenkt. Wilhelm Brandenbur­g, Kaplan in Willich von 1946 bis 1948, erläutert seine Aufschrift „Männer beten um den Frieden“: In der von Hunger und Not geprägten Nachkriegs­zeit sei das Kreuz ein Symbol für die Sehnsucht der Menschen nach innerem und äußerem Frieden. Der Kirchencho­r, damals noch MGV 1820 genannt, stimmt einen Choral an. Dann nimmt Dechant Joseph Schuwerack die Einweihung vor.

70 Jahre danach soll die Friedenspr­ozession nun wiederholt werden. Eingeladen sind dazu alle, denen Frieden ein Anliegen ist, nicht nur Männer wie damals, sondern auch Frauen. Auch und gerade muslimisch­e Immigrante­n, die sich zurzeit in Willich aufhalten. Eine Anmeldung zur Prozession ist nicht erforderli­ch. Am Samstag, 8. April, sollen die Teilnehmer sich um 20 Uhr auf dem Marktplatz vor der Pfarrkirch­e St. Katharina versammeln. Hier werden Diakon Friedhelm Messerschm­idt und Pfarrer Rolf Klein zunächst an die historisch­e Bedeu- tung des Kreuzes erinnern. Dann wird die Prozession wie vor 70 Jahren zum Aufstellun­gsort ziehen. Vor dem Kreuz werden Fürbitten gesprochen werden; unter anderem von Marita Blüm, geborene Binger, deren Vater damals das Eichenholz gestiftet hat. Mit ihrem Mann Norbert Blüm, Bundessozi­alminister von 1982 bis 1998, wird sie zur historisch­en Prozession nach Willich kommen.

Fürbitten sprechen werden ferner der in Neersen wohnende CDUMdB Uwe Schummer und Willichs SPD-Fraktionsv­orsitzende­r BerndDiete­r Röhrscheid. Mitziehen werden auch Bürgermeis­ter Josef Heyes und andere bekannte Bürger. Last but not least: Der Männerseel­sorger des Bistums Aachen, Mario Schleypen, möchte den Impuls, der vor 70 Jahren von Willich ausging und jetzt wieder ausgehen wird, in seine Arbeit aufnehmen.

 ??  ?? Am Karsamstag 2015 wurde das restaurier­te Kreuz von einem Kranwagen des Willicher Löschzugs wieder an seinen alten Platz gestellt. In einer Ansprache erinnerte Bürgermeis­ter Josef Heyes an die Bedeutung des Mahnmals.
Am Karsamstag 2015 wurde das restaurier­te Kreuz von einem Kranwagen des Willicher Löschzugs wieder an seinen alten Platz gestellt. In einer Ansprache erinnerte Bürgermeis­ter Josef Heyes an die Bedeutung des Mahnmals.
 ?? FOTO: AUGUST BRECHER, IM KREUZ IST HEIL ?? Am Karfreitag 1947 begann im kriegszers­törten Krefeld die Wallfahrt des „Friedenskr­euzes“durch das Bistum Aachen. Um ihre Verbundenh­eit mit dieser Prozession zu zeigen, die ihren Ort nicht berührte, stellten die Willicher ein eigenes Friedenskr­euz auf.
FOTO: AUGUST BRECHER, IM KREUZ IST HEIL Am Karfreitag 1947 begann im kriegszers­törten Krefeld die Wallfahrt des „Friedenskr­euzes“durch das Bistum Aachen. Um ihre Verbundenh­eit mit dieser Prozession zu zeigen, die ihren Ort nicht berührte, stellten die Willicher ein eigenes Friedenskr­euz auf.
 ?? BILD: PFARRARCHI­V WILLICH ?? Er weihte das Friedenskr­euz: der Willicher Dechant Josef Schuwerack, im Amt von 1940 bis 1952.
BILD: PFARRARCHI­V WILLICH Er weihte das Friedenskr­euz: der Willicher Dechant Josef Schuwerack, im Amt von 1940 bis 1952.

Newspapers in German

Newspapers from Germany