Rheinische Post Krefeld Kempen
Höhen und Tiefen der Europäischen Union
Das Stadtarchiv präsentiert im Stahlwerk Becker die „Europa Caricade“mit gut 60 Karikaturen der Helmut Schmidt Medien.
WILLICH „Wie geht’s hier bitte nach Europa?“, hatte Horst Haizinter seine Karikatur zum 25-jährigen Bestehen der Europäischen Union betitelt. Schon damals war die Idee der Vereinigten Staaten von Europa in eine Sinnkrise geraten. Der Karikaturist hatte mit spitzem Stift reagiert und ein riesiges Schiff mit ratloser Mannschaft in den Flusslauf einer idyllischen Landschaft versetzt. Haizingers Blatt ist eines von etwa 60 Arbeiten, die in der Zusammenstellung im Stahlwerk Becker zum pointierten Geschichtsunterricht werden. Das Stadtarchiv hat die Ausstellung der Helmut Schmidt Medien GmbH nach Willich geholt.
„Eine Karikatur sagt oft mehr als 100 Worte“, betonte Bürgermeister Josef Heyes in der Begrüßung. Er habe etwas wehmütig vor der Zeichnung des Franzosen Calvi gestanden, bekannte der Bürgermeister. Von Calvis Darstellung einer Maggie Thatcher mit dem Transparent „No money for Europe“schlug Heyes inhaltlich den Bogen zum Brexit und der Enttäuschung darüber, dass die friedenstiftende Idee Brüche bekommen hat.
Der Niederländer Ruben Oppenheimer zeigte 2016 sein Entsetzten über den Volksentscheid für einen Brexit in Anlehnung an Munchs Bild „Der Schrei“: Vor dem blasser werden Sternenkranz pressen der frühere Premier Cameron, Bundeskanzlerin Merkel und der niederländische Regierungschef Rutte ihre Hände gegen den Kopf und reißen dabei entsetzt Mund und Augen weit auf. In den Arbeiten von Karikaturisten aus 15 Ländern ist immer wieder der Stier als Symbol der europäischen Mythologie präsent. Zugespitzt dargestellt sind Brüsseler Normvorgaben, eine Persiflage der Europäischen Union als SterntalerMärchen, der Brüsseler Amtsschimmel und massive Krisen, die das europäisch Gebäude schon öfter ins Wanken geraten ließen. Der Italiener Berlusconi ist auf einer riesigen Dampfwalze als „Dampfwalzconi“in Szene gesetzt. Ein der Karikatur zur Seite gestellter historischer Abriss erinnert an Berlusconis Schimpftiraden auf den damaligen Europaabgeordneten Martin Schulz und die dadurch ausgelösten Reaktionen. Die jüngsten Blätter nehmen Trumps politischen Stil ins Visier. „Trumpokalypse Now! Oder die zweite Chance für Europa?“, betitelt Haizinger seine Karikatur mit Trump, der bei Rot mit einer Dampfwalz rücksichtslos über die Ampel fährt und dabei ein europäisches Auto demoliert. Als eine Mahnung für die Wert der Union können die ältesten Karikaturen gelesen werden: Beim „Spiel der Könige“setzte der Brite Paul 1914 einen Knochenmann an den Roulettetisch der Entscheidungsträger. 25 Jahr später zeichnete ein anonymer Ka-