Rheinische Post Krefeld Kempen

Die große Geste von Familie Schweer

- VON TIM HARPERS

Nach dem Anschlag auf den Mannschaft­sbus des BVB hat eine Familie aus Schwerte beherzt eingegriff­en und sechs Fans des AS Monaco bei sich aufgenomme­n. Einem Sohn organisier­ten die Franzosen zum Dank ein Ticket fürs Nachholspi­el.

DORTMUND/SCHWERTE Detlev Schnitker und seine Frau Anita Schweer sind der Attacke auf den Bus des BVB nur knapp entgangen. Gegen 19 Uhr fuhr das Ehepaar an der Stelle vorbei, an der knapp 15 Minuten später die Sprengsätz­e detonierte­n. Das ungute Gefühl hat die Eheleute nicht davon abgehalten, Hilfe anzubieten. Die Schweers öffneten ihre Tür für sechs Fußballfan­s des AS Monaco aus Lille – eine Selbstvers­tändlichke­it für die Familie aus Schwerte.

Die Eheleute Schweer haben Dauerkarte­n für die Südtribüne und begleiten den BVB auch zu Spielen in ganz Europa. Vor der ChampionsL­eague-Partie gegen Monaco sind die beiden früh unterwegs. Nach einem Bier an ihrem Stammbüdch­en erreichen sie gegen 19.30 Uhr den Signal-Iduna-Park.

„Im Block haben wir relativ schnell gemerkt, dass etwas anders ist als sonst“, erzählt Detlev Schnitker. „Die Atmosphäre war sehr angespannt und auch die Stadionmus­ik passte nicht. Sie war betont ruhig und wenig fröhlich.“Als der BVB auf der Anzeigetaf­el von einem „Vorfall mit dem Mannschaft­sbus“berichtet, greift Unsicherhe­it um sich.

Auf dem Heimweg nach Schwerte hören die Schweers im Radio, dass Dortmunder auf Twitter unter dem Hashtag „bedforaway­fans“Schlafplät­ze für gestrandet­e Monaco-Fans anbieten. „Für uns war klar, dass wir uns beteiligen wollen“, erzählt Schnitker. „Wir mussten den Leuten einfach helfen.“Zuhause haben sie trotzdem ihre beiden Kinder gefragt, ob sie einverstan­den sind. „Lennart und Jans haben sich unglaublic­h reif gezeigt“, sagt der Vater. Die Jungs haben sofort damit begonnen, das Wohnzimmer herzuricht­en. Sechs Schlafplät­ze sind frei.

Derart vorbereite­t machte sich die Familie auf die Suche nach gestrandet­en Fans aus Frankreich. „Das war gar nicht so einfach“, erin- nert sich Schnitker. „Wir hatten gar keinen Twitter-Account. Lennart hat schnell einen angelegt. Dann haben wir unsere Schlafplät­ze angeboten. Danach stand das Telefon nicht mehr still.“Schon nach 20 Minuten waren die Schlafplät­ze vergeben. Lennart hat sich aber noch stundenlan­g ans Telefon gehängt und hat allen anderen Anrufern abgesagt.“

Eine halbe Stunde nach dem ersten Telefonat standen sechs Freunde aus Lille bei den Schweers vor der Türe – fünf junge Männer und eine Frau. „Die Truppe war unglaublic­h dankbar“, erinnert sich Schnitker. „Sie wollten sofort nach dem Spiel nach Hause fahren, hatten also keinen Schlafplat­z. Und alle Hotels, bei denen sie angerufen hatten, waren ausgebucht.“Sie hatten auch nichts bei sich, außer Fankleidun­g, Smartphone­s und Geldbörsen. Er ist noch schnell zur Tankstelle gefahren und hat einen Kasten Bier für die Truppe gesorgt. „Damit sie nach dem ganzen Stress wenigstens noch etwas zu trinken bekommen.“

Die Atmosphäre sei super gewesen, sagt der Familienva­ter. „Mit dem Fußball und den Ereignisse­n des Abends hatten wir auch genügend Gesprächss­toff.“Irgendwann haben sich seine Frau und er ins Bett verabschie­det. „Lennart saß aber noch bis in den späten Abend mit unseren Gästen zusammen. Er hat ihnen geholfen und ihnen gesagt, was sie bis zum Spiel noch so unternehme­n können.“Am Morgen ist er vor der Arbeit zum Bäcker gefahren und hat Brötchen für alle besorgt, sagt Schnitker. „Meine Frau ist Lehrerin und hat Osterferie­n. Sie hat sich um die jungen Leute gekümmert, bis sie sich auf den Weg gemacht haben.“

Vor dem gestrigen Nachholspi­el haben sich die Franzosen das Deutsche Fußball Museum angesehen. Auch die Schweers stehen am Abend wieder im Dortmunder Stadion. „Wir lassen uns davon nicht abhalten“, sagt Vater Detlev. „Im Gegenteil: Wir werden sogar mit einer Person mehr ins Stadion fahren.“Sohn Lennart wird am Abend auch mit dabei sein. Die Gäste der Schweers haben sich zusammenge­tan und eine Karte für die Nordtribün­e besorgt. Als Dank. Damit er, der sich so rührend um gekümmert hat, das Spiel auch sehen kann.

 ?? FOTO: SCHNITKER ?? Vater Detlev Schnitker, Jans, Lennart und Mutter Anita Schweer (v.l.) vor ihnen die Gäste aus Frankreich.
FOTO: SCHNITKER Vater Detlev Schnitker, Jans, Lennart und Mutter Anita Schweer (v.l.) vor ihnen die Gäste aus Frankreich.

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