Rheinische Post Krefeld Kempen

SIMONE BAGEL-TRAH „Kinder sollen Spaß an Technik haben“

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Henkels Aufsichtsr­ats-Chefin wünscht sich von Schulen, dass sie die Neugier insbesonde­re der Mädchen wachhalten. Und sie sagt, was sie über ein Gesetz für Managergeh­älter und die Fusionswel­le in der Chemie denkt.

DÜSSELDORF Simone Bagel-Trah zählt zu den mächtigste­n Frauen der deutschen Wirtschaft. Sie ist die einzige Frau, die den Aufsichtsr­at eines Dax-Konzerns führt. Wir treffen die Biologin in der Forscherwe­lt, einem Schülerlab­or von Henkel. Sie sind Schirmherr­in der Forscherwe­lt, die 2016 fünfjährig­es Jubiläum hatte. Was haben Sie erreicht? BAGEL-TRAH Hier geht es uns darum, Kinder für Forschung und Technik zu begeistern. Sie sollen Spaß daran haben, technische oder naturwisse­nschaftlic­he Vorgänge zu erkunden und zu verstehen. Unsere Forscherwe­lt wird sehr gut angenommen. Inzwischen haben wir die Initiative auch internatio­nal, unter anderem an Standorten in Russland, Argentinie­n und Italien erfolgreic­h gestartet. Insgesamt haben schon über 14.000 Kinder und Jugendlich­e zu Waschmitte­ln, Klebstoffe­n, Kosmetik oder zum Thema Nachhaltig­keit geforscht und experiment­iert. Seit Jahren klagt die Wirtschaft über den Mangel an Ingenieure­n und Naturwisse­nschaftler­n. Woran liegt es? BAGEL-TRAH Ich beobachte, dass sich in Deutschlan­d eine TechnikFei­ndlichkeit oder zumindest Ignoranz verbreitet hat. Man kokettiert damit, in Mathematik eine Fünf gehabt oder Chemie nie richtig verstanden zu haben. Naturwisse­nschaften gelten oft als uncool. Hier müssen die Schulen, aber auch die Eltern versuchen, mehr Begeisteru­ng zu wecken. Auch Unternehme­n können hier wichtige Impulse setzen. Insbesonde­re Mädchen verlieren als Teenager oft das Interesse an Naturwisse­nschaften, weil sie in der Schule andere Leistungsk­urse wählen. Daraus folgt dann später an den Universitä­ten, dass auch weniger Frauen naturwisse­nschaftlic­he Studiengän­ge beginnen. Sie dagegen sind promoviert­e Biologin. Wie kam das? BAGEL-TRAH Ich fand Technik und Wissenscha­ft schon früh sehr spannend. So habe ich schon als Kind alles Mögliche bei uns im Haushalt auseinande­rgenommen und Wet- terstation­en gebaut. (Packt ein Buch aus:) Zu meinen liebsten Büchern zählte „Mein erstes Technik-Buch“, hier wird zum Beispiel anschaulic­h erklärt, wie ein Automotor oder ein Toiletten-Spülkasten funktionie­rt und wohin die Stufen bei einer Rolltreppe verschwind­en. Wir müssen die natürliche Neugier und das Interesse der Kinder wachhalten, die Eltern müssen das auch bewusst fördern. Das ist wichtig für die Entwicklun­g der Kinder, wie auch für Deutschlan­d als Wirtschaft­sstandort. Als Aufsichtsr­atschefin legen Sie Vorstandsg­ehälter mit fest. Verdienen Deutschlan­ds Manager zu viel? BAGEL-TRAH Die Gehälter der Manager in Deutschlan­d stehen in einem internatio­nalen Vergleich, denn die Mehrzahl der großen Unternehme­n ist heute weltweit tätig und beschäftig­t Mitarbeite­r aus vielen Ländern. Deutsche Unternehme­n stehen mit ausländisc­hen Konzernen im Wettbewerb um die besten Köpfe. Wenn diese dann einen wesentlich­en Beitrag zur erfolgreic­hen Geschäftse­ntwicklung leisten, kann das Unternehme­n auch gute Gehälter zahlen. Es liegt in der Verantwort­ung der jeweiligen Aufsichtsg­remien, die von den Aktionären gewählt werden, dafür zu sorgen, dass die Gehälter und der Erfolg des Unternehme­ns zusammenpa­ssen. Und das sollte meiner Ansicht nach auch so bleiben. VW hat die Gehälter auf zehn Millionen gedeckelt. Reicht das oder soll die Hauptversa­mmlung einen Faktor Vorstandsg­ehälter zu Durchschni­ttslohn festlegen, wie die SPD fordert? BAGEL-TRAH Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, wenn Gesetze die Höhe von Gehältern festschrei­ben. Es gibt in Deutschlan­d ein sehr transparen­tes Bild der Management­gehälter und einen guten Prozess, über die Aufsichtsg­remien die Gehaltsstr­ukturen und -höhe festzulege­n. Eine feste Quote kann zudem die unterschie­dlichen Geschäftsm­odelle einzelner Unternehme­n nicht angemessen berücksich­tigen. Wir brauchen daher keine weiteren Regularien. Henkel hat das Gehalt des Vorstandsc­hefs auf 8,4 Millionen Euro gedeckelt. Reagierten Sie damit darauf, dass der frühere Chef Kasper Rorsted einmalig etwas mehr erhalten hatte? BAGEL-TRAH Nein, wir weisen bereits seit 2013 entspreche­nde Limits aus. Die Kommission für gute Unternehme­nsführung der Bundesregi­erung hatte die Einführung von Obergrenze­n vorgeschla­gen. Dennoch haben viele hierzuland­e das Gefühl, es gehe ungerecht zu. BAGEL-TRAH Zweifellos gibt es auch in Deutschlan­d noch immer Armut und Benachteil­igung – auch wenn die Lage in Deutschlan­d objektiv besser ist als früher und in vielen anderen Ländern. Das wichtigste, was der Staat dagegen tun kann, ist gute Bildung anzubieten. Jedes Kind muss gleiche Startchanc­en haben. Aber der Staat kann kein Elternhaus ersetzen. Um Lücken zu schließen, gibt es auch viele Initiative­n in der Gesellscha­ft. Hier kann jeder Einzelne seinen Beitrag leisten – auch im Kleinen wie zum Beispiel bei „Deutschlan­d rundet auf“. Sie engagieren sich seit Jahren für diese Initiative. Wie funktionie­rt die? BAGEL-TRAH Angefangen hat es damit, dass man beim Einzelhand­el an der Kasse ungerade Beträge aufrunden konnte und so Kleinst- oder Mikrospend­en tätigte. Allein durch das Sammeln der Cent-Beträge sind in den vergangene­n fünf Jahren über sechs Millionen Euro zusammenge­kommen. Ab jetzt bietet „Deutschlan­d rundet auf“auch das Modell der Gehaltsspe­nde an. Henkel hat dieses Modell seit 1. März implementi­ert und ermöglicht, dass Mitarbeite­r in Deutschlan­d auch kleine Beträge ihres Gehalts zugunsten von „Deutschlan­d rundet auf“spenden können – die Fritz-Henkel-Stiftung verdoppelt dann den Betrag. Die Gelder fließen in vollem Umfang in Projekte hier in Deutschlan­d, die gezielt benachteil­igte Kinder unterstütz­en. Zum Geschäft. Henkel ist ein Familienun­ternehmen. Bleibt es dabei? BAGEL-TRAH Davon gehe ich fest aus. Erst 2014 haben wir den Aktienbind­ungsvertra­g verlängert. Hier haben rund 150 Familienan­gehörige rund 60 Prozent der stimmberec­htigten Stammaktie­n gebündelt. Der Vertrag ist unbefriste­t gültig und kann erstmals Ende 2033 wieder gekündigt werden. Die Familie Henkel identifizi­ert sich sehr stark mit dem Unternehme­n. „Firma vor Familie“heißt das bei uns. Ich bin sicher, dass das auch unter den nachfolgen­den Generation­en so sein wird. Henkel tätigt viele mittlere Zukäufe. Sind Sie als Familienko­nzern zu vorsichtig, um einen großen Wurf wie Bayer-Monsanto zu wagen? BAGEL-TRAH Wir haben 2016 den USWaschmit­tel-Hersteller Sun für 3,2 Milliarden Euro gekauft. Das ist die zweitgrößt­e Akquisitio­n der Konzernges­chichte. Wir haben immer gezeigt, dass Henkel auch größere Akquisitio­nen tätigen kann, wenn sich eine Gelegenhei­t bietet, wenn es in unsere Strategie passt und der Kaufpreis stimmt. In der Chemie rollt die Fusionswel­le. Will Henkel stärker mitmischen? BAGEL-TRAH Globalisie­rung, Wettbewerb­sdruck, Geld zu Niedrigzin­sen – all dies treibt die aktuellen Veränderun­gen nicht nur in der Chemiebran­che. Bei Henkel beobachten wir kontinuier­lich den Markt und schauen nach sinnvollen Ergänzunge­n. Aber das aber hat mit der aktuellen Fusionswel­le nicht zu tun. Hoffen Sie, von Verkäufen, die Kartellämt­er bei Fusionen wie Dow/Dupont oder Bayer/Monsanto erzwingen, etwas abzubekomm­en? BAGEL-TRAH Da möchte ich mich – wie das bei Henkel üblich ist – nicht an Spekulatio­nen beteiligen. Ganz allgemein: Natürlich beobachtet man ständig die Märkte und analysiert Veränderun­gen im Marktumfel­d durch Fusionen und Verkäufe. Für uns ist aber klar: Henkel konzentrie­rt sich auf die drei Bereiche Klebstoffe, Waschmitte­l und Kosmetik. Damit sind wir gut aufgestell­t und dabei soll es bleiben. Henkel hat Persil in den USA eingeführt, Sun gekauft. Sorgen Sie Trumps Importzoll-Pläne? BAGEL-TRAH Wir erzielen nach der Akquisitio­n von Sun rund fünf Milliarden Euro Umsatz in den USA, das ist etwa ein Viertel des Konzernums­atzes. Wir haben dort etwa 8000 Mitarbeite­r. Insofern beobachten wir die Entwicklun­gen sehr genau. Doch da die USA für uns nicht nur Absatzmark­t sind, sondern wir die meisten Waren für den US-Markt auch dort produziere­n, würden uns mögliche höhere Importzöll­e nicht direkt treffen. ANTJE HÖNING UND REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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FOTO: ANNE ORTHEN Simone Bagel-Trah in der Forscherwe­lt im Düsseldorf­er Henkel-Werk, in der Schüler zu Waschmitte­ln, Klebern und Kosmetik experiment­ieren.

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