Rheinische Post Krefeld Kempen

Aufschwung in Deutschlan­d bleibt stabil

- VON GEORG WINTERS

Die deutsche Wirtschaft wächst moderat – und das im fünften Jahr. Aber es bleibt die Unsicherhe­it über die Folgen der amerikanis­chen Wirtschaft­spolitik und des EU-Austritts der Briten. Und die Forderung nach Entlastung der Bürger.

DÜSSELDORF Rund 19 Milliarden Euro Überschuss stecken in diesem Jahr in den Kassen von Bund und Ländern. Bei solchen Zahlen kommen reflexarti­g Forderunge­n nach einer steuerlich­en Entlastung der Bürger. Jene, die das verlangen, bekommen jetzt Zuspruch aus dem Frühjahrsg­utachten der fünf führenden deutschen Forschungs­institute. „Es ist höchste Zeit, dass die Wirtschaft­spolitik stärker an der langen Frist ausgericht­et wird, den Anstieg der Abgabenbel­astung begrenzt und durch Umschichtu­ngen im Haushalt die investiven Ausgaben, vor allem im Bildungsbe­reich, stärkt“, erklären die Forscher in ihrem Gutachten. Sie leiten das unter anderem daraus ab, dass die Abgabenbel­astung in Deutschlan­d, mittlerwei­le auf mehr als 40 Prozent gestiegen, weiter zunehmen und „die Alterung der Gesellscha­ft die Rentenvers­icherungsb­eiträge in die Höhe treiben“werde.

Wie man das korrigiert: „Kurzfristi­g beispielsw­eise über eine Senkung der Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­äge, dauerhaft dadurch, dass man die Sozialsyst­eme demografie­fest macht“, sagt Roland Döhrn, Konjunktur­chef des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaft­sforschung (RWI, Essen). Dazu müsse man über neue Lebensarbe­itszeitmod­elle nachdenken und das Gesundheit­ssystem effiziente­r gestalten. Die Forderung des SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz, die Dauer des Bezugs von Arbeitslos­engeld I auf bis zu vier Jahre zu verlän- gern, nennt Döhrn „kontraprod­uktiv“.

Auch vom Industriev­erband BDI kommt ein Appell an die Politik. Hauptgesch­äftsführer Joachim Lang sagte, die deutsche Konjunktur zeige sich momentan in guter Verfassung. Aber: „Es ist angesichts weltweiter wirtschaft­licher Risiken unklar, wie nachhaltig und robust die Konjunktur ist.“Es sei notwendig, den Standort Deutschlan­d mit besseren Bedingunge­n für private Investitio­nen und einer kontinuier­lichen Stärkung öffentlich­er Investitio­nen voranzubri­ngen.

Die Momentaufn­ahme ist indes gut. „Moderates Wachstum“heißt der Befund der Forscher, und der gilt nun schon im fünften Jahr. Die Institute haben ihre Wachstumsp­rognose für 2017 um 0,1 Punkte auf 1,5 Prozent erhöht. Für das kommende Jahr beträgt die Voraussage nun 1,8 Prozent. Rechnet man die drei Arbeitstag­e ein, die in diesem Jahr gegenüber 2016 fehlen, würde die Wachstumss­chätzung auch für 2017 bei 1,8 Prozent liegen.

Dass es derzeit nicht stärker nach oben geht, liegt auch daran, dass der Konsum die Stütze des Aufschwung­s ist, und der ist wenig schwankung­sanfällig. Die Investitio­nen der Firmen seien bisher nur verhalten gewachsen, heißt es im Gutachten. Das dürfte sich ändern. Die Exporte würden zulegen, auch dank des schwachen Euro, während die Dynamik beim Wachstum der privaten Konsumausg­aben nachlasse. Die Inflation werde von 0,5 Prozent 2016 auf 1,8 Prozent in diesem Jahr klettern und so die Kaufkraft der Verbrauche­r verringern, heißt es. Dafür dürfte die Zahl der Erwerbstät­igen bis 2018 um eine Million auf 44,56 Millionen steigen. In den USA erwarten die Forscher 2017 weitere Zinserhöhu­ngen, in der Euro-Zone noch keine.

Andere Dinge bleiben unkalkulie­rbar – die Risiken, die die Wirtschaft­spolitik von US-Präsident Donald Trump langfristi­g impliziert, und Verwerfung­en nach dem EUAustritt Großbritan­niens. Dazu kommt die Furcht vor den möglichen Folgen eines Sieges von Marine Le Pen bei den Präsidents­chaftswahl­en in Frankreich.

Kurzfristi­g birgt Trumps Wirtschaft­skurs aber auch Chancen. Steuererle­ichterunge­n für die USUnterneh­men könnten der Weltwirtsc­haft zugute kommen, glaubt RWI-Konjunktur­chef Döhrn. Lähmende Auswirkung­en sind frühestens 2019 zu befürchten.

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