Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Tod ist nicht das Ende
Gedanken zum Karfreitag von Rolf Klein, Pfarrer der Evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde Willich.
WILLICH Die Bilder, die uns immer wieder und leider immer noch vom Krieg in Syrien erreichen, sind schockierend, furchtbar, unfassbar. Die Zerstörung der Erdbeben und Naturkatastrophen sowie deren Opfer machen uns sprachlos. Berichte über Terror und Gewalt, Fanatismus und unmenschliche Folter lassen uns erschrecken. Bilder von hungernden Kindern, deren leerer Blick in eine mehr als ungewisse Zukunft abschweift, rühren uns an.
Doch nicht nur das Leid in der Ferne trifft und betrifft uns. Auch vor Ort, in der Familie, in der Nachbarschaft und im Freundeskreis gibt es Leiden, schlimme Schicksale. Ein Mensch leidet über Jahrzehnte unter den Folgen eines in der Kindheit verursachten Traumas. Eine junge Familie verliert die Mutter durch Krebs. Ein junger Mensch nimmt sich das Leben.
Die traurige Aufzählung der Leiden ließe sich ins Unermessliche und ins Unerträgliche fortsetzen. Und jeder von uns weiß von Schicksalen zu berichten, hat ein eigenes zu tragen, mit Leid zu leben. Und wie kann ich mit dem Leid leben, mit dem eigenen und dem zahlloser andrer Menschen, und was hat das Leiden mit Gott zu tun?
Muss man nicht eher fragen: Was hat Gott mit dem Leiden in der Welt zu tun? Hat er überhaupt damit zu tun oder lassen ihn all das Elend, die Not und Verzweiflung vielleicht sogar kalt?
Oder ist gerade die Tatsache, dass es so viel Leiden gibt und es kein Ende zu haben scheint, ein Argument gegen Gott? Schließen das Leid und Gottes Existenz einander nicht sogar aus? „Warum lässt Gott das zu?“, lautet die nur allzu verständliche Frage der Leidenden und der Mitleidenden.
Eine logische Antwort, eine bündige oder schlüssige Erklärung kommt mir nicht über die Lippen. An der Antwort auf die Frage nach dem Leiden haben sich große Geister versucht – und bieten mit ihren Herleitungen und Schlussfolgerungen keinen wirklichen Trost. Für mich liegt die Antwort auf die Frage nach Gott und dem Leiden im Geschehen der Ostertage begründet. Im Leiden und Sterben Jesu kommt Gott selbst dem Leiden und den Leiden nah, er macht ihr Leid zu seiner eigenen Sache. Im Kreuz bleibt Gott dem Leiden nicht fern, er tritt mitten hinein, leidet in und mit Jesus selbst.
Die Ostergeschichte zeigt auch, dass Gott es damit nicht bewenden lässt. Er geht – wie immer – weit über unsere Hoffnung und Erwartung hinaus: In der Auferstehung Jesu macht er ein für allemal deutlich, dass das Leiden nicht das letzte Wort behält, dass der Tod nicht das Ende ist. Die Botschaft des Ostersonntags lautet: Gott will das Leben. Gott setzt dem Leiden Erlösung und Rettung entgegen.
Das Licht der Osterkerze bringt das in wunderbarere Weise zum Ausdruck. Es durchbricht die Dun- kelheit der Nacht und zeugt von Gottes Gegenwart und Liebe.
Die ersten Zeugen der Auferstehung sehen das Licht des neuen Tages, das in das nun leere Grab scheint. Aus der Finsternis des Todes wird Licht des Lebens. Die Jesus gefolgt sind, begegnen dem Auferstandenen, und ihre innere Verzweiflung und Dunkelheit wandelt sich zu Überzeugung und Begeisterung. Diese Begeisterung steckt andere Menschen an, und die Botschaft breitet sich aus in Jerusalem, in Israel und über die ganze Welt.
Es ist die frohe Botschaft, das Evangelium, das sagt: Gott ist dem Leid und dem Leidenden nicht fern, sondern nah. Gott überwindet Leiden und Tod und schafft neues, unvergängliches Leben.