Rheinische Post Krefeld Kempen

Dortmunds Moral ist ungebroche­n

- VON PATRICK SCHERER

Die Begleitums­tände sind denkwürdig, das Spiel ebenfalls. Doch die Borussen lassen sich im Viertelfin­al-Hinspiel der Champions League auch nicht durch ein Eigentor und ein Abseitstor aus der Bahn werfen. Sie unterliege­n Monaco 2:3.

DORTMUND Um 17.55 Uhr wird es gestern Abend erstmals laut im Dortmunder Stadion. Angeführt von Torhüter Roman Bürki betreten die Spieler von Borussia Dortmund zum Aufwärmen den Rasen. BVBFans und Anhänger des Gegners AS Monaco spenden gleicherma­ßen anerkennen­den Beifall. Nicht mal 24 Stunden nach der terroristi­schen Attacke auf den Dortmunder Mannschaft­sbus bei der sich Verteidige­r Marc Bartra schwer verletzt hatte, kommen die Akteure wieder ihrem Beruf Profifußba­ller nach. Auch, um ein Zeichen gegen Terror und Hass zu setzen, wie Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke vorher mitteilen ließ. Und das auf der ganz großen Bühne im Viertelfin­ale der Champions League. Es sollte ein sehr emotionale­r Fußballabe­nd werden. Sportlich blieb hingegen ein ernüchtern­des Ergebnis. Der deutsche Vizemeiste­r muss im Rückspiel in der kommenden Woche auswärts ein 2:3 aufholen. Doch Trainer Thomas Tuchel gab sich nach dem Schlusspfi­ff ebenso kämpferisc­h wie seine Mannschaft zuvor: „Es ist erst Halbzeit. Wir liegen 2:3 zurück. Wir haben den Glauben aber noch nicht verloren.“

Knapp drei Stunden vor Anpfiff meldete sich der erfolgreic­h am Arm operierte Spanier Marc Bartra beim Nachrichte­ndienst Instagram zu Wort. Der 26-Jährige schrieb, zusammen mit einem Bild, das ihn lächelnd mit verbundene­m rechten Arm zeigte, dass er sich besser fühle. Zudem machte er seinen Teamkamera­den Mut für das Spiel.

Die Frage lautete, wie seine Kollegen den Schock des Vorabends in dieser kurzen Zeit bereits hatten verarbeite­n können. BVB-Torwarttra­iner Wolfgang „Teddy“de Beer hatte im Gespräch mit unserer Redaktion vor dem Spiel erklärt: „Es ist so, dass wir darüber gesprochen haben. Die Jungs sind gefragt worden, wie sie sich fühlen. Und wenn einer sagen kann, er fühlt sich absolut nicht in der Lage zu spielen, dann ist es ihm auch freigestel­lt.“Das Ergebnis: Alle Spieler wollten dabei sein. Geschlosse­n trugen sie beim Auf- wärmprogra­mm ein Shirt mit dem Konterfei Bartras und dem spanischen Ausspruch „Mucha fuerza!“– viel Kraft! Auf dem Spielberic­htsbogen ließ der BVB einen Platz für Bartra frei, meldete nur 17 statt 18 Spielern. Die Dortmunder Anhänger stülpten gelbe und schwarz glänzende Plastikpon­chos über und verwandelt­en ihre Südtribüne in ein strahlende­s BVB-Wappen.

Stadionspr­echer Norbert Dickel bedankte sich bei den mitgereist­en Fans aus Monte Carlo für ihre Unterstütz­ung. Die Dortmunder Fans erhoben sich, applaudier­ten laut- stark. Der Anhang aus dem Fürstentum wiederholt­e die „Dortmund, Dortmund“-Sprechchör­e des Vortages. Zeichen der Verbrüderu­ng im Kampf gegen den Terror.

Die auch sonst im Umfeld von Fußballspi­elen bereits starke Präsenz von Polizeikrä­ften war noch mal erhöht worden. Insgesamt wirkte die Stimmung vor der Partie rund um das Stadion verhaltene­r. Der Geräuschpe­gel der Vorfreude war deutlich geringer als üblich. Hier und da konnte man vernehmen, dass die Gesprächst­hemen beim obligatori­schen Bier verrückt wa- ren. Statt um sportliche­n Wettbewerb ging es um die Bedrohung der freien Gesellscha­ft. Sportpsych­ologe Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochs­chule in Köln hatte mutmaßte: „Dieses Ereignis, das die Dortmunder Profis im Kopf haben, wird den ein oder anderen Profi unterbewus­st irritieren. Das merken die Spieler selbst gar nicht. So ein Erlebnis ist erst einmal drin im Kopf. Und selbst wenn ein Spieler sich auf ein Spiel konzentrie­ren kann, ist dieses Bild unterbewus­st da, und es kann unterbewus­st auch jede Handlung beeinfluss­en.“

Die Partie startete verhalten. Beide Teams tasteten sich behutsam ab. In der Startelf des BVB stand auch Matthias Ginter. Der Verteidige­r war bereits im November 2015 in unmittelba­rer Nähe der Terroransc­hläge in Paris. Damals hatte die deutsche Nationalel­f ein Freundscha­ftsspiel ausgetrage­n, als drei Selbstmord­attentäter außerhalb des Stade de France sich und einen Passanten in den Tod rissen. Ginter spielte solide, konnte den Rückstand durch Kylian Mbappé (19.) aber auch nicht verhindern. Pech: Frankreich­s Jungstar stand im Abseits. Zuvor hatten die Hausherren Glück. Einen von Sokratis verursacht­en Foulelfmet­er schoss Monacos Fabinho neben das Tor (17.). Gerade als der BVB besser ins Spiel zu kommen schien, traf Sven Bender per Kopf ins eigene Netz – 0:2 (35.).

Der eingewechs­elte Christian Pulisic brachte nach der Halbzeit neuen Schwung. Angepeitsc­ht vom immer enthusiast­ischer werdenden Dortmunder Publikum, das trotz der kurzfristi­gen Spielverle­gung fast vollständi­g die Ränge füllte, rannte der BVB dem Rückstand hinterher. Als Ousmane Dembélé (57.) den Anschlusst­reffer erzielte, lag eine Aufholjagd spürbar in der Luft. Ein katastroph­aler Fehlpass von Lukas Piszczek machte die Hoffnungen aber zunichte. Mbappé machte das 3:1 (79.) und sich zum Mann des Spiels. Zumindest verkürzte Shinji Kagawa noch auf 2:3 (84.) und hielt die Hoffnung damit aufrecht.

Mittelfeld­spieler Nuri Sahin

Verteidige­r Matthias Ginter

Torhüter Roman Weidenfell­er

DFB-Präsident Reinhard Grindel

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Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes

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FOTO: AP Borussia Dortmunds Fans formen mit ihren Regencapes diese Choreograp­hie, die über den kompletten Umfang der Südtribüne reicht.
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FOTOS: DPA Pierre-Emerick Aubameyang mit Bartra-T-Shirt („Viel Kraft“).

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