Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Feuer der Begeisteru­ng in Burundi

- VON LUDWIG KAMM

VORST Am rheinische­n Karnevalss­onntag diesen Jahres besuchte ich die hl. Messe in der Kathedrale in Gitega, der zweitgrößt­en Stadt in Burundi. Um 10 Uhr füllt sich die Kirche langsam mit einigen tausend Menschen. Erstaunlic­h viele Kinder sind darunter. Ich selbst bin einer der Ältesten. Zum Einzug der drei Priester mit den Messdiener­n wird es laut: Trommelkla­ng und der Gesang eines großen Chores junger Leute in einheitlic­hen Gewändern erfüllt die Kathedrale mit Musik – und die vielen tausend Menschen klatschen den Rhythmus und singen mit – auswendig! Die Liturgie ist identisch mit der in unseren katholisch­en Gottesdien­sten in Kempen und Tönisvorst. Doch an einigen Stellen bricht sich die Freude und Begeisteru­ng der Menschen Bahn: nach der Verkündigu­ng des Evangelium­s wird laut und anhaltend geklatscht. Die „Frohe Botschaft“wird bejubelt und ihr begeistert zugestimmt.

Während der Wandlung herrscht in unseren Kirchen andächtige­s Schweigen. Anders in Burundi: Nach der Erhebung der gewandelte­n Gaben von Brot und Wein wird geklatscht und so Christus zugejubelt. Begeistert­e Fanfarenkl­änge habe ich auch schon erlebt.

Ich bin seit 28 Jahren an diese Art Gottesdien­ste gewöhnt. Doch für fremde Ohren und Augen ist eine Gottesdien­stgemeinde in Burundi eine einzige singende und klat- schende Gemeinscha­ft. Der Friedensgr­uß wird mit Freude geteilt. Ich denke dabei oft: der furchtbare Bürgerkrie­g mit vielleicht 300.000 Toten ist erst 12 Jahre vorbei – die ethnischen Auseinande­rsetzungen hatten auch die katholisch­en Gemeinden und Gemeinscha­ften nicht verschont. „Der Friede sei mit euch“, war der Gruß des auferstand­enen Jesus Christus an seine verängstig­ten Jünger.

Dieser Gruß hat hier in der Gemeinde noch eine ganz existentie­lle Bedeutung, auch mir gegenüber. Ich bin der einzige „umusungu“, der einzige Fremde und Weiße – und alle in meiner Umgebung wollen mir die Hand zum österliche­n Friedensgr­uß reichen, „amahoro“– Friede und Gemeinscha­ft sei mit dir; du gehörst zu uns!

In unseren hiesigen Messfeiern gehen die ersten Gläubigen nach der Kommuniona­usteilung. In der Kathedrale von Gitega – wie in fast allen katholisch­en Kirchen in Burundi, beginnt nun eine voller Begeisteru­ng gefeierte Danksagung, „action grace“. Zu mitreißend­en Melodien bewegen sich alle – vom zelebriere­nden Priester (oder Erzbischof) bis zum jüngsten Kind außerhalb des Tragetuche­s seiner Mutter – singend, klatschend und mit weitauslad­enden Armen. Der Dank für die in der hl. Kommunion geschenkte Gemeinscha­ft mit Jesus Christus und sein unfassbar großes Gnadengesc­henk bricht sich in Gesang und Klatschen und Bewegen Bahn. Eine vieltausen­dköpfige Gottesdien­stgemeinde als eine sich bewegende und wogende Gemeinscha­ft. Es ist selbstvers­tändlich, dass die Sonntagsme­sse zwei Stunden und länger dauert. Ein priesterli­cher Freund hat mir einmal erzählt, dass in einer Gemeinde der Pfarrer nach einer Messe, die nur etwas mehr als eine Stunde gedauert hatte, gefragt wurde: sind wir dir nichts wert? Wir sind schon eine Stunde zu Fuß zur Kirche gelaufen – und müssen auch wieder so lange zurücklauf­en – und Du hast nur so wenig Zeit für uns?

Wenn ich mit den jungen Menschen mit einer Behinderun­g, die im Zachäus-Haus wohnen, sonntags abends zusammen bin, fragen sie mich sehr oft, wie lebt die Kirche in Deutschlan­d? Ich muss ihnen dann leider immer wieder sagen: die jungen Leute sehe ich kaum noch. Ungläubige­s Staunen sehe ich in ihren Gesichtern. Und sie sagen mir: wie können sie ohne Glauben und ohne Kirche leben?

Im Johannes-Evangelium erscheint der auferstand­ene Jesus Christus seinen verängstig­ten und hoffnungsl­osen Aposteln als der Lebendige. Er spricht sie mit dem Friedensgr­uß an und sagt: empfangt den Hl. Geist. Dieser Geist der Begeisteru­ng wird 50 Tage später am Pfingstfes­t nach Außen wirksam. Er ist immer noch am Werk, auch wenn wir ihn selten zu spüren meinen. In Gitega habe ich ihn hautnah gespürt.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Pfarrer Ludwig Kamm in der Kirche St. Godehard in Vorst: Im Juli geht er in den Ruhestand. In seinem Ostertext berichtet er aus Burundi.
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