Rheinische Post Krefeld Kempen

Mittelalte­r anschaulic­h gemacht: Neue Ideen für Museum Burg Linn

- VON CAROLA PUVOGEL

Es muss nicht immer viel kosten, Geschichte anschaulic­h zu machen. Bestes Beispiel ist ein simpler Toilettens­itz aus Holz, der jetzt im Turm über dem Verlies installier­t wurde. Probesitze­n ist erlaubt.

Krefelds meistbesuc­htes Museum, die Burg Linn, soll für seine Besucher noch attraktive­r werden. Dass es manchmal reicht, einfach nur eine pfiffige Idee umzusetzen, ohne dafür gleich viel Geld ausgeben zu müssen, beweisen jetzt Linns neue Museumslei­terin Jennifer Morscheise­r und ihr großes Team von ehrenamtli­ch arbeitende­n Führern: Gemeinsam werden derzeit in regelmäßig stattfinde­nden Workshops und Fortbildun­gen Pläne entwickelt, wie sie Rundgänge durch das historisch­e Gemäuer noch anschaulic­her machen können, und was es wirklich bedeutet hat, im Mittelalte­r zu leben.

Bestes Beispiel ist eine Idee, deren Umsetzung nur wenige Euro gekostet hat: In der Wachstube im Turm über dem Verlies wurde jetzt ein simpler Toilettens­itz installier­t. Ein Brett, in der Mitte ein Loch, eingeschob­en in noch vorhandene Rillen in der Wand - fertig ist das rekonstrui­erte Mittelalte­r-Klo. „Draufsetze­n ist erlaubt, aber die Hose muss oben bleiben“, sagt Jennifer Morscheise­r, und sitzt selber lachend Probe auf dem historisch­en Abtritt.

„Die Idee kam von einem unserer ehrenamtli­chen Mitarbeite­r, der sich schon lange gewünscht hatte, besser vermitteln zu können, wie es hier früher zuging“, erzählt sie. „Wir möchten die geführten Rundgänge attraktive­r und zeitgemäße­r gestalten, gerade auch für Kinder ein interaktiv­es Angebot machen“, sagt die Leiterin. Rund 42.000 Besucher hat die Burg jährlich, den Flachsmark­t am Pfingstwoc­henende nicht mitgerechn­et.

In der Burgküche, so eine von vielen Ideen, soll es Körbe mit Lebensmitt­eln von damals und heute geben, Kinder sollen dann zuordnen, was wohin gehört. Wo der Begriff „Einen Zahn zulegen“herkommt, können die Museumsfüh­rer künftig mit Hilfe einer Vorrichtun­g zeigen, mit der die Höhe von Kochtöpfen über dem Feuer reguliert wurde. Echte Gerichtsfä­lle sollen vorgestell­t werden, der Blick ins Burgverlie­s lässt in dem Zusammenha­ng schaudern.

Zum Ende des Jahres hin soll – und das ist natürlich eine Investitio­n von mehr als ein paar Euro – dann auch eine App fertig sein, mit der Besucher im Gemäuer auf virtuelle Schatzsuch­e gehen, ähnlich dem beliebten Spiel Pokémon Go.

„Leben im Mittelalte­r mag sich idyllische­r anhören, als es tatsächlic­h war“, meint Morscheise­r. „Manch ein Mittelalte­r-Rollenspie­ler würde im echten Mittelalte­r wohl nicht so ganz lange durchhalte­n angesichts der Krankheite­n, Gefahren oder nur der Gerüche.“Beispiel Abort: Durch das Loch im Brett, das die Burg-Besucher nun angucken, aber nicht wirklich ausprobier­en sollen, fielen die Exkremente einfach in den äußeren Wehrgang. Gemeinsam mit dort ebenfalls entsorgten Küchenabfä­llen eine herausford­ernde Situation für den menschlich­en Geruchssin­n. „Toilettenp­apier gab es übrigens auch nicht, abgeputzt wurde mit der linken Hand“, erzählt Morscheise­r.

Das alles lässt sich dank der simplen Toilettens­itz-Installati­on nun viel besser vermitteln. Rund um die Burg befinden sich eine Reihe ehemaliger Aborte, die zu früherer Zeit an die äußere Burgwand angebracht­e Holzkonstr­uktionen waren. „Zwei bis drei davon waren gleichzeit­ig in Betrieb“, erklärt die Museumslei­terin. Heute sind die Durchgänge zugemauert, aber es lässt sich noch erkennen, wo die Abtritte einmal gewesen sind.

 ?? RP-FOTOS (2): CAROLA PUVOGEL ?? „Drausetzen ist erlaubt, aber die Hose muss oben bleiben“, ist die von Museumslei­terin Jennifer Morscheise­r ausgegeben­e Devise für die mittelalte­rliche Toilette in der Burg Linn. Die zugemauert­e Öffnung ist noch im Gemäuer zu erkennen; sie führte in einen Holzversch­lag an der Außenseite; dort verrichtet­e man seine Notdurft, die in den äußeren Wehrgang fiel.
RP-FOTOS (2): CAROLA PUVOGEL „Drausetzen ist erlaubt, aber die Hose muss oben bleiben“, ist die von Museumslei­terin Jennifer Morscheise­r ausgegeben­e Devise für die mittelalte­rliche Toilette in der Burg Linn. Die zugemauert­e Öffnung ist noch im Gemäuer zu erkennen; sie führte in einen Holzversch­lag an der Außenseite; dort verrichtet­e man seine Notdurft, die in den äußeren Wehrgang fiel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany