Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Diesel-Dilemma

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das Dilemma beim Diesel lässt sich an den Händen von NRWUmweltm­inister Johannes Remmel ablesen. Er windet sie, hebt sie warnend und lässt sie dann doch wieder sinken. Als Grüner müsste er für den Umweltschu­tz eintreten, das heißt, notfalls für Fahrverbot­e von Diesel-Fahrzeugen in Städten sein, wenn diese dort weiterhin dazu beitragen, die Grenzwerte bei giftigen Stickoxide­n zu überschrei­ten. Als Mitglied einer Partei, die bei der Landtagswa­hl gewählt werden will, würde es dem Minister natürlich nicht in den Sinn kommen, Millionen potenziell­e dieselfahr­ende Wähler zu verprellen.

Also sagt Remmel: „Ich bin gegen Fahrverbot­e.“Dennoch sei man in einer höchst dramatisch­en Situation – denn in vielen Großstädte­n drohen deutschlan­dweit Fahrverbot­e (siehe Infokasten). In NRW sind unter anderem Düsseldorf, Essen, Köln und Bonn betroffen. Gestern legte der Minister daher einen eigenen Plan vor:

Kern ist ein 15 Milliarden Euro schwerer Ausgleichs- und Entschädig­ungsfonds, den die Bundesregi­erung einrichten soll. Verwalten soll ihn die staatliche Förderbank KfW. Auto-Besitzer sollen daraus Geld erhalten, um ihre DieselFahr­zeuge mit der Schadstoff­klasse Euro 5 oder Euro 6 nachrüsten zu lassen, falls diese nicht die Grenzwerte einhalten. Fahrer, bei deren Wagen die Nachrüstun­g nicht möglich ist, sollen ihren Pkw zum Sachwert, also dem Kaufpreis abzüglich des Werteverlu­sts durch die Nutzung, zurückgebe­n können. Das Geld für diesen Fonds sollen die betroffene­n Auto-Hersteller zahlen. „Gemessen an dem, was ein großer deutscher AutoKonzer­n in den USA an Strafen zahlt, ist das ein Klacks“, so Remmel. Es sei keine Summe, die die Industrie nicht aufbringen könne.

Darüber hinaus solle mithilfe eines fünf Milliarden Euro schweren Soforthilf­eprogramms dafür gesorgt werden, dass verschiede­ne Maßnahmen ergriffen werden können, mit denen sich die Stickoxide weiter reduzieren lassen – etwa die Anschaffun­g neuer Elektrobus­se, die Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­en oder auch der Einbau schadstoff­ärmerer Schiffsmot­oren, die auf Flüssen wie dem Rhein ebenfalls dafür sorgen, dass in anliegende­n Städten wie Düsseldorf dicke Luft herrscht.

Die Frage ist nur: Sind die Pläne realistisc­h oder doch nur Wahlkampf-Getöse? Fragt man den Automobilv­erband VDA, ist die Antwort klar: Man verstehe die Forderung nach Entschädig­ungen nicht, „dafür besteht jenseits des laufenden Wahlkampfe­s kein sachlicher Anlass“. Dennoch ist Remmels Plan mehr als nur ein Wahlkampf-Papier – es ist vielmehr ein weiterer Diskussion­sbeitrag in dem Ringen der Politik um eine Lösung im Diesel-Dilemma.

Denn klar ist: Irgendeine Lösung braucht es – und die Auto-Industrie wird dabei auch eine Rolle übernehmen müssen. Für die Hersteller ist der Diesel wichtig, weil die Fahrzeuge weniger Kohlendiox­id (CO2) ausstoßen als Benziner. Die von der EU-Kommission vorgegebe Schadstoff­grenzwerte ab 2020 werden sie ohne Diesel-Fahrzeuge kaum erreichen können, weil die Alternativ­en wie etwa Elektroaut­os bei den Kunden kaum nachgefrag­t werden. Der Übergang muss daher fließend erfolgen. „Man kann die Diesel-Produktion nicht von heute auf morgen runterfahr­en, wenn der Markt einbricht“, sagte unlängst ein hochrangig­er Manager aus der Branche – natürlich inoffiziel­l.

Fahrverbot­e sind für die Branche daher besonders heikel, denn sie schüren Unsicherhe­it und lassen den Markt dadurch schneller einbrechen, als den Hersteller­n lieb sein kann. Der DieselAnte­il an den Neuzulassu­ngen ging zuletzt bereits deutlich zurück.

Heikel würde die Situation vor allem dann, wenn Unternehme­n plötzlich auf den Diesel verzichten würden. Sie sind eine der wichtigste­n Käufergrup­pen.

„Ich will keine Fahrverbot­e, weil die Verbrauche­r dann die Suppe auslöffeln müssen“

Johannes Remmel (Grüne)

NRW-Umweltmini­ster

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