Rheinische Post Krefeld Kempen

Das neue Machtgefüg­e der AfD

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Parteichef­in Frauke Petry hat sich ins Abseits manövriert – Favoriten für das Spitzentea­m im Bundestags­wahlkampf gibt es aber schon.

Der Landeschef der NRW-AfD, Marcus Pretzell, will als Spitzenkan­didat in den Düsseldorf­er Landtag einziehen – er kandidiert nicht für den Bundestag. Gilt als engster Berater seiner Ehefrau Frauke Petry. AfD-Parteichef­in Frauke Petry verzichtet auf die Spitzenkan­didatur im Bundestags­wahlkampf, will aber ihr Vorhaben durchsetze­n, die AfD regierungs­fähig zu machen. Bekommt im Mai ihr fünftes Kind.

DFrauke Petry (41) Parteivors­itzende er gesellscha­ftliche Wandel hat Familien viel Freiheit beschert: Rollenmust­er sind nicht mehr so rigide festgelegt, Aufgabenve­rteilungen weniger vom Geschlecht abhängig. Vieles muss verhandelt werden – auch mit den Kindern. So bestimmt ein kooperativ­er Stil das Miteinande­r in der Familie. Harmonie ist das Ziel.

Nun ist gegen Frieden in der Familie natürlich nichts einzuwende­n. Solange der nicht darauf beruht, dass die Erwachsene­n Konfrontat­ionen lieber aus dem Wege gehen. Und eben nicht darüber diskutiere­n, wie lange am Computer gespielt werden darf oder ob das Handy während des Abendessen­s auf dem Tisch liegen sollte oder ob das neue T-Shirt wirklich von dieser oder jener Marke sein muss. Erst in der Auseinande­rsetzung über solche Fragen bemerken Kinder ja, was den Eltern wichtig ist, welche Haltung sie einnehmen, wo die Grenzen ver- Marcus Pretzell (43) NRW-Chef der AfD

Beatrix von Storch (45) stellvertr. Bundesvors­itzende Alexander Gauland (76)

AfD Brandenbur­g Nummer eins: der mögliche Parteiauss­chluss von Rechtsauße­n Björn Höcke, der Petry am Wochenende endgültig auf die Füße fallen könnte. Die Parteichef­in hat das Verfahren gegen ihn zuletzt vorangetri­eben, was ihr viele Mitglieder und auch Vorstandsk­ollegen übel nehmen – nicht immer aus ideologisc­hen, vielmehr aus prinzipiel­len Gründen. Viele fürchten ohne Höcke den Verlust wichtiger Wählerstim­men aus dem Osten. Auch Parteivize Alexander Gauland stellte sich auf die Seite von Höcke und betonte noch im Februar, ihn im Bundestag sehen zu wollen. Der niedersäch­sische Landeschef Armin-Paul Hampel organisier­te jüngst ein Geheimtref­fen mit Gauland und Höcke, um Pläne gegen Petrys Alleingäng­e zu schmieden, wie der „Spiegel“berichtete.

Mit ihrem „Zukunftsan­trag“, den Petry seit zwei Wochen bewirbt und in Köln durchbring­en will, hat die Parteichef­in sich weiter Chancen laufen, die sie nicht überschrei­ten sollten.

Diese Haltung einzunehme­n und sie ohne Aggression, aber verbindlic­h zu äußern und Kindern klarzumach­en, dass das Gewicht hat, dass es ernst gemeint ist, dass es um etwas geht, braucht aber vor allem eins: Zeit. Auseinande­rsetzungen sind ja nur dann nicht verletzend, wenn sie in einer Atmosphäre der Zuwendung verlaufen. Wenn einer den anderen nicht abfertigt oder herabwürdi­gt, sondern Geduld hat, sich eine andere Sichtweise anzuhören. Und sich Zeit nimmt, den eigenen Standpunkt zu vermitteln.

Weil Familienle­ben heute aber oft in gewisse „Zeitfenste­r“gepresst ist und dann alles harmonisch ablaufen, jeder in seiner Rolle funktionie­ren soll, schwindet der Raum für echte Auseinande­rsetzungen. Stattdesse­n versuchen Eltern dann oft, ihre Liebe und Fürsorge in materielle Form zu gießen. Dann werden zu

Alice Weidel (38) AfD-Bundesvors­tand verspielt. Sich für ihren „realpoliti­schen Kurs“und gegen die „Fundamenta­loppositio­nellen“Gauland und Höcke zu entscheide­n, scheint vielen zu missfallen. Ganze Landesverb­ände stellten Gegenanträ­ge. Ge- viele Klamotten gekauft, zu aufwendige Urlaube unternomme­n, Hobbys übermäßig ausgestatt­et. Dieses Verwöhnen ist eben nicht nur ein Ergebnis unserer Überflussg­esellschaf­t, sondern auch greifbares Zeichen für Zeitmangel. Es verkörpert die mangelnde Bereitscha­ft, Meinungsve­rschiedenh­eiten auszutrage­n, Diskussion­en zu führen, Streiten zu üben. Bei allem berufliche­n Stress soll die Familienze­it Entlastung bringen. Viele Eltern wollen dann nicht auch noch mit dem Nachwuchs streiten, und so gewinnen Vermeidung­sstrategie­n Raum.

Womöglich geht es darum, Streit nicht als Niederlage, als Fehler im Familienal­ltag zu betrachten, sondern als besonders intensive Momente des Miteinande­rs. Natürlich kostet Streiten Kraft, doch die ist gut investiert. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de André Poggenburg (42) AfD Sachsen-Anhalt Der Landeschef der AfD Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, kandidiert nicht

füfür den Bundestag. Er gilt als rechrechts­national und Freund und

Verbündete­r Björn Höckes. Der Landeschef der AfDA in Thüringen, Björn Höcke, ist die Galionsfig­ur des rechtsnati­onalen FlüFlügels der Partei. Um die Parteimitg­liedscPart­eimitglied­schaft des beurlaubte­n Geschichts­lehrers tobtto der Machtkampf in der AfD. nau dieser Zukunftsan­trag solle Petry in Köln als Lackmustes­t dienen, heißt es aus Parteikrei­sen: „Ihre Position steht und fällt mit der Frage, ob sie für ihren Antrag genug Unterstütz­er findet.“Ausgeschlo­ssen sei auch nicht, dass sie sich zur Spitzenkan­didatur noch vermeintli­ch überreden lässt. „Die Messe ist noch längst nicht gelesen“, heißt es aus dem Parteivors­tand. Dass Petry ihre Deutungsho­heit einfach aufgibt, glauben viele nicht. Bundeschef­in will sie bleiben, auch der Einzug in den Bundestag als Spitzenkan­didatin aus Sachsen ist ihr bislang sicher. Sie wolle sich im Wahlkampf nicht die Finger schmutzig machen, werfen ihr Kritiker im Internet jetzt vor.

Wer und wie viele Spitzenkan­didaten für die AfD in den Wahltag ziehen, sollen die Delegierte­n nun am Wochenende bestimmen. Gauland spricht sich schon länger für ein Team aus und gilt als gesetzt. Wahrschein­lich ist auch Vorstandsk­ollegin Alice Weidel (38), die von Björn Höcke (45) AfD Thüringen

Das Mitglied im AfD-Bundesvors­tand Alice Weidel kandidiert für den Bundestag und will ins Spitzentea­m. Die Unternehme­nsberateri­n lebt mit Lebenspart­nerin und Sohn in

Überlingen am Bodensee. ihrem Landesverb­and Baden-Württember­g unmittelba­r nach Petrys Videobotsc­haft schon als Spitzenkan­didatin angepriese­n wurde. Als junge Wirtschaft­sliberale würde sie den rechtskons­ervativen Gauland gut ergänzen, auch wenn sie als Mutter eines Sohnes mit ihrer Lebensgefä­hrtin für AfD-Wähler eher schwer zu vermitteln ist. Alternativ­en aber sind rar: Co-Chef Meuthen will ebenso wenig in den Bundestag wie Höcke und dessen Verbündete­r aus dem Vorstand: Sachsen-Anhalts Landeschef André Poggenburg.

Während mancherort­s dem Vernehmen nach schon die Sektkorken knallen ob der Botschaft, bleibt die Rolle Petrys vorerst ungewiss. Auf dem Parteitag wird sich zeigen, wie viel Unterstütz­er sie in der Partei noch hat – oder ob sie stürzt. Es wird einen Antrag geben, mit dem Höckes Parteiauss­chlussverf­ahren zurückgeno­mmen werden soll. Eine Mehrheit dafür wäre denkbar. Und damit Petrys Dolchstoß.

Familien fehlt die Zeit zum Streiten Viele Familien ringen um gemeinsame Zeit. Dann soll die aber auch möglichst harmonisch verbracht werden. Konflikte werden vermieden, Zuneigung in materielle­r Form signalisie­rt.

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