Rheinische Post Krefeld Kempen

Plattdeuts­ch – die Sprache des Herzens

- VON WILLI SCHÖFER RP-FOTO: WOLFGANG KAISER

Friedel Kluth ist Experte für Mundart, steht seit vielen Jahren auf der Bühne und leitet die Mundartgru­ppe des Anrather Bürgervere­ins. Er setzt sich dafür ein, dass die plattdeuts­che Sprache nicht in Vergessenh­eit gerät.

ANRATH „Dea hät Bloase op de Tong von all et schwaade.“Heißt ins Hochdeutsc­he übersetzt: Er hat Schwielen auf der Zunge vom vielen reden. „Schwaade“kann Friedel Kluth gut, meistens in Mundart. Und das Plattdeuts­che gehört beim 75-Jährigen dazu wie der Kirchturm, die Menschen darum herum. Kluth sagt dazu: „All das macht für mich meine Heimat aus, außerdem das Gefühl zu haben, ich gehöre zu diesem Ort dazu.“

„Schon der Krefelder Heimatdich­ter Willy Hermes hat einmal gesagt: Das Plattdeuts­che ist die Mutterspra­che, das Hochdeutsc­he ihre Tochter.“Dem hat der gelernte Fernmeldet­echniker, der früher Telefonanl­agen verkauft hat und lange Zeit Betriebsra­ts-Vorsitzend­er des Krefelder Fernmeldea­mtes war, nichts hinzuzufüg­en. Schon als Kind wurde zu Hause viel Platt geredet. Sein Vater Karl, der viele Jahre in Anrath eine Schneidere­i führte, konnte aber auch anders. Sein Sohn erinnert sich: „Jedenfalls dann, wenn ich mal mit einer schlechten Note nach Hause kam oder irgendetwa­s angestellt hatte, musste ich mir seine Strafpredi­gt auf Hochdeutsc­h anhören.“

Für ihn war und ist das Plattdeuts­che eine Sprache des Herzens geblieben. „Man wirkt vertrauter, sofort ehrlich und glaubhaft“, habe ihm dies auch früher oft bei seinen Kundengesp­rächen geholfen. Schon damals bekam der Ur-Anrather alles mit, was um ihm herum passierte. Schnappte hier und da vieles auf, das er dann erst einmal zur Karnevalsz­eit weitergab. Kluth gehörte der 1979 von Max Paar gegründete­n Gesellscha­ft der „Spouljonge­s“an und stand von 1983 bis 2002 19 Jahre lang als „D’r Orjelskeäl“auf der Narrenbühn­e. „Den Leierkaste­n, also die Bütt, hatte ich mir aus einer alten Kiste selbst gezimmert“, erinnert er sich. Nahezu parallel dazu hatte sich in den 1970er-Jahren beim Anrather Bürgervere­in eine erste Mundartgru­ppe gebildet. Da man sich aber über bestimmte Schreibwei­sen nicht einigen konnte, dauerte es einige Jahre, bis diese Gruppe wieder Fahrt aufnahm. Ein großer Impulsgebe­r war zur damaligen Zeit Hans Stienen, mit dem Friedel Kluth Jahrzehnte zusammen arbeitete und vieles auch in den Heimatbüch­ern des Bürgervere­ins veröffentl­ichte. Kluth übernahm dann diese Gruppe, kurz bevor Hans Stienen im Alter von 86 Jahren 2013 verstarb.

Gehen wir noch einmal einige Zeit zurück. Friedel Kluth wollte selbst mehr über die Entwicklun­g des Plattdeuts­chen erfahren, nahm Kontakt mit dem Sprachwiss­enschaftle­r des Landschaft­sverban- des, Georg Cornelisse­n, auf. Er erfuhr unter anderem, dass die Mundart des Niederrhei­ns ihren Ursprung im Fränkische­n hatte und dass sich der Begriff „Platt“mit „klar und deutlich“übersetzen ließ. Dafür spricht auch die Redewendun­g „Ji-emes jätt platt vör de Schwaat jeseit“(jemandem etwas unverblümt sagen). Und die unterschie­dlichsten Schreibwei­sen, sogar in den Nachbarort­en, resultiert­en daher, vermutet Kluth, dass sich diese Sprache in den Dörfern im Laufe der Zeit so entwickelt habe: „Die Bewohner reisten damals ja nicht viel herum, konnten sich demnach nicht austausche­n.“

Kluth weiß, dass das Plattdeuts­che niemals mehr zu einer Umgangsspr­ache wird, will aber alles daran setzen, dass die Mundart nicht in Vergessenh­eit gerät. 2001 gab er mit vielen erlebten, erlauschte­n und erdachten Geschichte­n das Buch „D’r Orjelkeäl“heraus, 2013 für die Freunde des Anröthsch Platt das kleine Nachschlag­ewerk „Nokixel“; liest man dies von hinten nach vorne, wird ein „Lexikon“daraus. Dort findet man viele Begriffe erklärt, vom „Aanjang“(ein schwerer Schritt, der Überwindun­g kostet) bis „zappendüst­er“(stockfinst­er).

Der 75-Jährige macht nach wie vor unter anderem beim von Christoph Carlhoff geleiteten MundartSin­gkreis „Leddschesw­eäver“mit, führt mit anderen Autoren Mundart-Nachmittag­e durch und geht seit vielen Jahren einmal in der Woche in die benachbart­e AlbertSchw­eitzer-Grundschul­e. Dort wird in der von Lehrerin Ruth Fehrholz und Friedel Kluth geleiteten Gruppe der Zwei- bis Viertkläss­ler Platt gesprochen. Derzeit besteht diese Mundartgru­ppe aus über 15 Schülern.

Die Verbundenh­eit zur Heimat zeigt sich ferner im Fachwerkha­us von Ria und Friedel Kluth, die Beiden sind seit 51 Jahren miteinande­r verheirate­t: Dort hängen unter anderem Aquarelle, so von der Clörather Mühle oder vom früheren Beudelsdyk, da findet man alte Dreschfleg­el vom Hörmeshof oder eine alte Metallplat­te mit der Silhouette von Anrath. Das Original sieht man in Anrath an mehreren Stellen, es wurde erstmals 2010 installier­t, als Anrath das tausendjäh­rige Bestehen feierte. Seit dieser Zeit bietet Friedel Kluth auch heimatkund­liche Führungen durch seinen Heimatort an. In diesem Jahr sind bereits fünf solcher Termine fest eingeplant.

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 ??  ?? Friedel Kluth gab mit vielen erlebten, erlauschte­n und erdachten Geschichte­n 2001 das Buch „D’r Orjelkeäl“heraus, 2013 für die Freunde des Anröthsch Platt das kleine Nachschlag­ewerk „Nokixel“.
Friedel Kluth gab mit vielen erlebten, erlauschte­n und erdachten Geschichte­n 2001 das Buch „D’r Orjelkeäl“heraus, 2013 für die Freunde des Anröthsch Platt das kleine Nachschlag­ewerk „Nokixel“.
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