Rheinische Post Krefeld Kempen
Plattdeutsch – die Sprache des Herzens
Friedel Kluth ist Experte für Mundart, steht seit vielen Jahren auf der Bühne und leitet die Mundartgruppe des Anrather Bürgervereins. Er setzt sich dafür ein, dass die plattdeutsche Sprache nicht in Vergessenheit gerät.
ANRATH „Dea hät Bloase op de Tong von all et schwaade.“Heißt ins Hochdeutsche übersetzt: Er hat Schwielen auf der Zunge vom vielen reden. „Schwaade“kann Friedel Kluth gut, meistens in Mundart. Und das Plattdeutsche gehört beim 75-Jährigen dazu wie der Kirchturm, die Menschen darum herum. Kluth sagt dazu: „All das macht für mich meine Heimat aus, außerdem das Gefühl zu haben, ich gehöre zu diesem Ort dazu.“
„Schon der Krefelder Heimatdichter Willy Hermes hat einmal gesagt: Das Plattdeutsche ist die Muttersprache, das Hochdeutsche ihre Tochter.“Dem hat der gelernte Fernmeldetechniker, der früher Telefonanlagen verkauft hat und lange Zeit Betriebsrats-Vorsitzender des Krefelder Fernmeldeamtes war, nichts hinzuzufügen. Schon als Kind wurde zu Hause viel Platt geredet. Sein Vater Karl, der viele Jahre in Anrath eine Schneiderei führte, konnte aber auch anders. Sein Sohn erinnert sich: „Jedenfalls dann, wenn ich mal mit einer schlechten Note nach Hause kam oder irgendetwas angestellt hatte, musste ich mir seine Strafpredigt auf Hochdeutsch anhören.“
Für ihn war und ist das Plattdeutsche eine Sprache des Herzens geblieben. „Man wirkt vertrauter, sofort ehrlich und glaubhaft“, habe ihm dies auch früher oft bei seinen Kundengesprächen geholfen. Schon damals bekam der Ur-Anrather alles mit, was um ihm herum passierte. Schnappte hier und da vieles auf, das er dann erst einmal zur Karnevalszeit weitergab. Kluth gehörte der 1979 von Max Paar gegründeten Gesellschaft der „Spouljonges“an und stand von 1983 bis 2002 19 Jahre lang als „D’r Orjelskeäl“auf der Narrenbühne. „Den Leierkasten, also die Bütt, hatte ich mir aus einer alten Kiste selbst gezimmert“, erinnert er sich. Nahezu parallel dazu hatte sich in den 1970er-Jahren beim Anrather Bürgerverein eine erste Mundartgruppe gebildet. Da man sich aber über bestimmte Schreibweisen nicht einigen konnte, dauerte es einige Jahre, bis diese Gruppe wieder Fahrt aufnahm. Ein großer Impulsgeber war zur damaligen Zeit Hans Stienen, mit dem Friedel Kluth Jahrzehnte zusammen arbeitete und vieles auch in den Heimatbüchern des Bürgervereins veröffentlichte. Kluth übernahm dann diese Gruppe, kurz bevor Hans Stienen im Alter von 86 Jahren 2013 verstarb.
Gehen wir noch einmal einige Zeit zurück. Friedel Kluth wollte selbst mehr über die Entwicklung des Plattdeutschen erfahren, nahm Kontakt mit dem Sprachwissenschaftler des Landschaftsverban- des, Georg Cornelissen, auf. Er erfuhr unter anderem, dass die Mundart des Niederrheins ihren Ursprung im Fränkischen hatte und dass sich der Begriff „Platt“mit „klar und deutlich“übersetzen ließ. Dafür spricht auch die Redewendung „Ji-emes jätt platt vör de Schwaat jeseit“(jemandem etwas unverblümt sagen). Und die unterschiedlichsten Schreibweisen, sogar in den Nachbarorten, resultierten daher, vermutet Kluth, dass sich diese Sprache in den Dörfern im Laufe der Zeit so entwickelt habe: „Die Bewohner reisten damals ja nicht viel herum, konnten sich demnach nicht austauschen.“
Kluth weiß, dass das Plattdeutsche niemals mehr zu einer Umgangssprache wird, will aber alles daran setzen, dass die Mundart nicht in Vergessenheit gerät. 2001 gab er mit vielen erlebten, erlauschten und erdachten Geschichten das Buch „D’r Orjelkeäl“heraus, 2013 für die Freunde des Anröthsch Platt das kleine Nachschlagewerk „Nokixel“; liest man dies von hinten nach vorne, wird ein „Lexikon“daraus. Dort findet man viele Begriffe erklärt, vom „Aanjang“(ein schwerer Schritt, der Überwindung kostet) bis „zappendüster“(stockfinster).
Der 75-Jährige macht nach wie vor unter anderem beim von Christoph Carlhoff geleiteten MundartSingkreis „Leddschesweäver“mit, führt mit anderen Autoren Mundart-Nachmittage durch und geht seit vielen Jahren einmal in der Woche in die benachbarte AlbertSchweitzer-Grundschule. Dort wird in der von Lehrerin Ruth Fehrholz und Friedel Kluth geleiteten Gruppe der Zwei- bis Viertklässler Platt gesprochen. Derzeit besteht diese Mundartgruppe aus über 15 Schülern.
Die Verbundenheit zur Heimat zeigt sich ferner im Fachwerkhaus von Ria und Friedel Kluth, die Beiden sind seit 51 Jahren miteinander verheiratet: Dort hängen unter anderem Aquarelle, so von der Clörather Mühle oder vom früheren Beudelsdyk, da findet man alte Dreschflegel vom Hörmeshof oder eine alte Metallplatte mit der Silhouette von Anrath. Das Original sieht man in Anrath an mehreren Stellen, es wurde erstmals 2010 installiert, als Anrath das tausendjährige Bestehen feierte. Seit dieser Zeit bietet Friedel Kluth auch heimatkundliche Führungen durch seinen Heimatort an. In diesem Jahr sind bereits fünf solcher Termine fest eingeplant.