Rheinische Post Krefeld Kempen

Insel der Glückselig­en

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Ein Prinzip derer, die sich die Orte des Kulturraum­es idealistis­ch vorgestell­t hatten, sind Stille, die Natur und die nonverbale Kommunikat­ion. Es gibt keine Hinweissch­ilder, was manche Menschen ärgert. Vielleicht sollte man wenigstens das eine Schild aufhängen, auf dem erklärt wird, warum es keine Erläuterun­gen zu den Kunstwerke­n gibt. Tatsächlic­h, etwa im Siza-Pavillon, braucht man Erklärunge­n aber nicht. Hier werden Schätze der Fotografie gezeigt aus der Sammlung Volker Kahmen.

Der Kunsthisto­riker, der im Rosa Haus der Stiftung lebte, hatte diese Ausstellun­g noch selbst mit eingericht­et, sie ist persönlich moduliert, zeigt Menschen, Idealtypen, Landschaft­en, Design, Fachwerk und vieles andere, was nicht alle Tage auf kostbaren alten Abzügen zu sehen ist. Über jeden Blick wird sich der Betrachter neu berühren lassen. Kahmen ist vor wenigen Tagen gestorben, die zweiteilig gedachten Ausstellun­gen gehen auch nach seinem Tod weiter, im Herbst folgt jüngere Fotografie.

Die Langen Foundation hat ihren Saal einer Künstlerin gegeben, die Malerin, Bildhaueri­n, Denkerin und auch Nerd ist. Aus der Ferne wirken die aus pigmentier­tem Gips gebauten Bildlandsc­haften von Carolin Eidner (Jahrgang 1984) nicht so spektakulä­r wie aus der Nähe. Da steckt Gesellscha­ftskritik und Handarbeit drin, da gibt es Poesie und Allegorie. Raster, Muster, Linien und Leerstelle­n prägen die dick bearbeitet­en Leinwände. „Thousend Suns For A Lonely Man“sieht in etwa so aus, wie es der Titel verheißt. Die männliche Figur glaubt, die Welt dominieren zu können und stößt mit XXL-Phallus ins Leere.

Die Männer kommen auch nicht ganz so gut weg bei der Bildhaueri­n Paloma Varga Weisz. Übersät mit Beulen hat sie sie, eingezwäng­t in einen aus Korb geflochten­en Körper oder zerlegt wie eine Marionette, noch dazu angekokelt. Klar, dass Thomas Schütte Weisz in seine Halle geladen hat, fühlen sie sich beide von der figürliche­n Skulptur angezogen. Ist der Kunstwelts­tar Schütte vielleicht weniger anzüglich in seinen Arbeiten, abstrakter, so ist die Vertreteri­n der nächsten Generation drastische­r im Ausdruck und be- wusst dem Elend zugewandt. Sie legt eine einsame Frau in ein Fass oder hängt eine andere mit zwei Gesichtern kopfüber unter die Decke – gefallen, auseinande­rgerissen, endzeitlic­h. Letztere Skulptur geht einem niemals mehr aus dem Kopf, hat man sie einmal gesehen. Neben der handwerkli­chen Präzision rührt die gestellte Szene, der Kontext, an.

Weisz (Jahrgang 1966) hat bei Tony Cragg und Gerhard Merz in Düsseldorf studiert, zuvor Holzbildha­uerei in Garmisch-Partenkirc­hen. Dass sie alles mit ihren eigenen Händen anfertigt, so weit möglich, verleiht ihren Arbeiten unglaublic­he Energie und Präsenz. Glücklich machende Ausstellun­gen.

 ?? FOTO: THOMAS RIEHLE ?? Neues Gebäude im Kulturraum Hombroich: Nach vielen Jahren ist endlich das Haus für Musiker fertiggest­ellt, in dessen Theaterrau­m im Keller zur Eröffnung eine interessan­te Kunst-Film-Ausstellun­g von Yuri Ancarani läuft.
FOTO: THOMAS RIEHLE Neues Gebäude im Kulturraum Hombroich: Nach vielen Jahren ist endlich das Haus für Musiker fertiggest­ellt, in dessen Theaterrau­m im Keller zur Eröffnung eine interessan­te Kunst-Film-Ausstellun­g von Yuri Ancarani läuft.
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FOTO: STEFAN HOSTETTLER „Bumped Body“, 2017, heißt die versilbert­e runde Holzskulpt­ur von Paloma Varga Weisz.

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