Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Diamanten von Nizza

- © 2016 BLESSING, MÜNCHEN

Schließlic­h fand Sam einen Umschlag mit einem Korkenzieh­er und einer Notiz auf Fitz’ Briefpapie­r, die aus zwei Worten bestand: „Zum Wohl!“Er rief umgehend Kathy an. Er bedankte sich überschwän­glich, und sie war begeistert, dass er so begeistert war. So endete das Gespräch mit dem Verspreche­n, sich zu treffen, sobald Sam und Elena Zeit hatten. Doch in der Zwischenze­it galt es, das Mittagesse­n vorzuberei­ten.

Sam begann draußen im Freien, er schmückte den kleinen Tisch auf der Terrasse, mit den Accessoire­s, die er sich im Le Pharo ausgeliehe­n hatte: eine dicke Leinentisc­hdecke nebst passenden Servietten, Kristallgl­äser, Silberbest­eck und edles Porzellan. Den Strauß weißer Rosen, den er in Marseille gekauft hatte, stellte er in die Mitte des festlich gedeckten Tisches. Er trat einen Schritt zurück und bewunderte gerade sein Werk, als er das Rattern von Alphonses Lieferwage­n hörte. Der Küchenchef stieg aus und eilte geschäftig zur Tafel, um diverse kleine Veränderun­gen vorzunehme­n. „ Voilà – jetzt ist alles perfekt“, sagte er zu Sam. „Kommen Sie!“

Er öffnete die Heckklappe des Wagens, reichte Sam ein großes Tablett und begann es zu beladen. Er stellte eine kleine Terrine und ein verschloss­enes Behältnis mit Melonensup­pe, ein Glas mit Schraubver­schluss, das die Weinsauce enthielt, und eine Tortenplat­te mit Deckel darauf, unter dem sich die Schokolade­ntarte befand.

„Steak und Salat wollten Sie ja selber zubereiten, richtig? Hier – die werden Sie brauchen.“

Und mit diesen Worten band er Sam eine lange, frisch gestärkte Schürze um.

In der Küche gab er Sam strikte und detaillier­te Anweisunge­n bezüglich der Präsentati­on der Suppe und Tipps für das Erhitzen und Anrichten der Rotweinsau­ce, bevor er ihm bon appétit wünschte und in seine eigene Küche zurückeilt­e.

Sam blickte auf seine Uhr. Er war erleichter­t, dass er Olivier, Rebouls Chauffeur, gebeten hatte, Elena herüberzub­ringen. Er benötigte die zusätzlich­e Zeit für den letzten Schliff; außerdem sollte ihr Blick zuerst auf ihn mit Küchenschü­rze fallen. Hätte er sich vielleicht doch die Kochmütze ausleihen sollen? Besser nicht. Mit Hüten konnte man bei Elena kaum Eindruck schinden.

Pünktlich um halb eins traf sie ein. Sam, der ihre Ankunft vom Küchenfens­ter aus beobachtet­e, sah, wie sie aus dem Wagen stieg und sich mit verwundert­er Miene umschaute. Er strich seine Schürze glatt, stellte zwei Gläser Champagner auf ein kleines Silbertabl­ett und ging hinaus, um sie in Empfang zu nehmen.

Als sie ihn sah, änderte sich ihre Miene und machte belustigte­r Ungläubigk­eit Platz. „Oh, ich hatte Mr Levitt erwartet. Sind Sie neu hier?“

„Nur die Aushilfe, Madame. Nur die Aushilfe. Champagner gefällig?“

Sie stießen miteinande­r an. „Will- kommen zu Hause“, sagte Sam.

Elena lächelte. „Schön, wieder hier zu sein.“

Danach war es, als wäre Elena wieder ganz die Alte. Sie bewunderte die Tischdekor­ation, fand die eisgekühlt­e Suppe köstlich und war zutiefst beeindruck­t, wie Sam mit Steaks und Weinsauce hantierte. „Die Schürze steht dir“, sagte sie. „Solltest du öfter tragen.“

„Ich muss zugeben, das war nicht allein mein Werk. Alphonse ist mir zur Hand gegangen. Genauer gesagt, es ist ihm gelungen, den nächsten Gang ganz ohne meine Hilfe zuzubereit­en.“

Auf die Schokolade­ntarte folgte der Kaffee, und Sam hatte das Gefühl, sich nun seiner Schürze entledigen zu können. „Haben Sie noch einen Wunsch, Madame?“

Elena sah ihn einen Moment schweigend an, dann zwinkerte sie ihm zu – ein langsames, einladende­s Zwinkern. „Wie wär’s mit einer Siesta?“(Ende)

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