Rheinische Post Krefeld Kempen

Alarmglock­en

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GROSSBRITA­NNIEN Brexit-Referendum, 23. Juni 2016 Mehrheiten nach Wahlkreise­n in England Für EU-Austritt Für Verbleib in der EU Fliegerala­rm, Feueralarm, Bombenalar­m – wann immer von „Alarm“die Rede ist, schwingt eine gewisse Dramatik mit. Als akustische­s oder optisches Signal dient er als Warnung, will auf eine drohende Gefahr aufmerksam machen und zu erhöhter Wachsamkei­t aufrufen. „Zu den Waffen“, heißt gar die Übersetzun­g des aus dem Italienisc­hen stammenden Begriffs „all’arme“. Ein Alarm im ursprüngli­chen Sinne weist also auf eine ganz akute Gefährdung hin. So wie derzeit offenbar bei den NRW-Grünen. Angesichts einer Umfrage, nach der sie vor der Fünf-ProzentHür­de zittern müssen, schrillen bei ihnen nun „alle Alarmglock­en“. Schulminis­terin Sylvia Löhrmann nannte ihren Auftritt kurzerhand „Weckruf“– damit auch der letzte Wahlkämpfe­r bis zum 14. Mai noch wach wird. jra

stische und autoritäre Politik hat im Ausland jüngst vor allem außerhalb der Ballungsrä­ume Erfolg gehabt. Westdeutsc­hland macht bei diesem Muster nicht mit. Hier gilt nach wie vor: Das Land wählt CDU. Warum?

Komplizier­ter wird es in der Bundesrepu­blik. Den Stadt-Land-Gegensatz kennen die Demoskopen auch hier bestens, allerdings eher althergebr­acht: Land wählt CDU, Stadt wählt – nun ja, nicht mehr in Massen SPD, aber doch eher links. Von den 15 größten deutschen Städten hat nur eine (Essen) einen Oberbürger­meister von der CDU. Bei der Landtagswa­hl in Baden-Württember­g 2016 zum Beispiel lag die CDU nur in Gemeinden unter 10.000 Einwohnern knapp vor den Grünen, in Großstädte­n 14 Punkte hinter ihnen. Die AfD dagegen schnitt in kleinen Städten nur wenig besser ab als in großen.

Protagonis­tin des Stadt-Land-Gegensatze­s ist nicht die AfD, sondern die CDU, zumindest in Westdeutsc­hland. „Das katholisch-konservati­ve Milieu auf dem Land ist nach wie vor in weiten Teilen intakt“, begründet Politologe Spier: „Und dort ist die Affinität zur Union stark.“Dagegen seien traditione­lle SPD-Milieus erodiert: „Arbeiter wählen heute eher Rechtspopu­listen oder die Linke als die SPD.“Ihre beiden Direktmand­ate in Baden-Württember­g gewann die AfD in Mannheim und Pforzheim. Es sind die beiden Bezirke im Land mit der höchsten Arbeitslos­igkeit.

Und das ist der gemeinsame Nenner der Erfolge Trumps im „Rust Belt“, Le Pens in den alten Kohlerevie­ren und der AfD in früher florierend­en Industries­tädten: „Prekäre materielle Verhältnis­se“nennt es Spier, also hohe Arbeitslos­igkeit und hohe Anteile von Sozialleis­tungsempfä­ngern. Kein Wunder also, dass sich bange oder erwartungs­volle Blicke, je nach Standpunkt, auf das Ruhrgebiet richten: Wenn NRW am 14. Mai einen neuen Landtag wählt, sind hier die höchsten Werte für die AfD zu erwarten. Von einem „Gefühl der sozialen Perspektiv­losigkeit“spricht Sören Petermann, „verstärkt durch den verbreitet­en Eindruck, Zuwanderer seien Konkurrent­en um Arbeitsplä­tze“.

Weit weg zu sein vom Zentrum, muss also nicht bedeuten, im Hochsauerl­and zu leben. Gelsenkirc­hen reicht völlig. Oder, wie Soziologe Petermann es ausdrückt: „Man kann sich auch in einer Großstadt abgehängt fühlen.“

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