Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein Anstieg so steil wie Alpe d’Huez

- VON JANNIK SORGATZ

Welchen Einfluss hat die Verletzten­misere auf Borussias Ergebnisse? Die Ausfall-Liste ist alarmieren­d.

Besser als am 4. März ist es nicht mehr geworden. Borussia führte nach dem 4:2 gegen den FC Schalke nicht nur die Rückrunden­tabelle an, sondern durfte sich nach dem Erfolg beim Hamburger SV auf ein Heimspiel im DFB-Pokalhalbf­inale gegen Eintracht Frankfurt freuen. Zudem war die Leistung eine mächtige Ansage an S04 mit Blick auf die beiden Duelle im Achtelfina­le der Europa League. Gladbach war zweifellos die „Mannschaft der Stunde“. Der Sieg gegen Schalke war damals der vierte in Folge. Doch seit jenem furiosen Samstagabe­nd im Borussia-Park ist die Enttäuschu­ngsrate drastisch gestiegen und der Punkteschn­itt allein in der Liga von 2,29 auf 1,64 gesunken. Lediglich zwei der zehn vergangene­n Pflichtspi­ele hat Gladbach noch gewonnen.

Wer Ursachen sucht für diesen Einbruch, wird spätestens heute wieder auf einem weißen DinA4Zette­l fündig werden. Jede Woche wird er vor den Pressekonf­erenzen im Borussia-Park ausgeteilt und dokumentie­rt das leidige Thema, das sich durch komplette Saison zieht: die große Verletzung­smisere. Seit Hecking im Januar übernommen hat, wurden nie weniger als vier Namen unter „Ausfälle“aufgeliste­t. Gleich bei seiner Premiere gegen den SV Darmstadt musste der 52Jährige neun Profis ersetzen. Nachdem sich die Lage wochenlang stetig verbessert hatte, ist die Kurve seit der Länderspie­lpause so steil angestiege­n, als würde sie den Streckenve­rlauf einer Tour-de-France-Etappe nach Alpe d’Huez anzeigen.

Josip Drmic, Oscar Wendt, Tony Jantschke, Marvin Schulz und Mamadou Doucouré werden morgen beim FSV Mainz 05 ganz sicher fehlen. Bei Thorgan Hazard, Fabian Johnson, Christoph Kramer und Raffael, die am Dienstag in Zivilklei- dung mitfiebert­en, ist die Hoffnung ebenfalls gering. Während sich die fitten Spieler ausruhen durften, schuftete Raffael gestern immerhin am Fitnesshüg­el.

Auch am Tag nach der großen Enttäuschu­ng im Pokal wollte Hecking sich weiterhin nicht beklagen über die Probleme. „Sicherlich kann man das ein Stück weit als Begründung heranziehe­n, aber das ist nicht unser Naturell“, sagte er. „Wir haben einen breiten Kader, jeder will spielen. Und die, die gegen Frankfurt reingekomm­en sind, haben es gut gemacht.“Erstmals in der Vereinshis­torie hatte Hecking viermal auswechsel­n dürfen: Nico Schulz, Laszlo Bénes und Patrick Herrmann belebten alle die Partie. Djibril Sow heimste in der letzten Minute der Verlängeru­ng nach einem stark abgelaufen­en Konter Sonderappl­aus ein, bevor er im Elfmetersc­hießen zur tragischen Figur wurde.

In den ersten elf Spielen unter Hecking, von Darmstadt bis Schalke, war personelle Konstanz ein Erfolgsgar­ant. Yann Sommer, Oscar Wendt, Andreas Christense­n, Jannik Vestergaar­d, Tony Jantschke und Christoph Kramer spielten stets von Beginn an. Lars Stindl musste in Bremen gelbgesper­rt aussetzen, Mo Dahoud bekam nur in Ingolstadt eine Pause. Hecking hob die Bedeutung seiner „Achse“hervor. Nun muss der Trainer selbst bei vermeintli­ch fitten Spielern wie Ibrahima Traoré abwägen. „Er ist nach nach vier Monaten Verletzung­spause zurückgeko­mmen und stand jetzt drei Spiele hintereina­nder in der Startelf. Es ist immer ein schmaler Grat“, sagte Hecking.

Dass er die Probleme nicht vorschiebt, sondern bei der Fehlerdiag­nose sportlich ansetzt, ist ehrenwert. Allerdings ist der Qualitätsv­erlust nicht nur in Gladbach kaum aufzufange­n, wenn sechs Spieler aus der potenziell besten Elf fehlen. Beim FC Bayern wären das: Alaba, Kimmich, Vidal, Müller, Robben, Coman und Douglas Costa. Bei Borussia Dortmund: Schmelzer, Weigl, Piszczek, Guerreiro, Reus und Schürrle. Immerhin: Schlimmer als jetzt dürfte es in Gladbach nicht mehr werden.

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