Rheinische Post Krefeld Kempen
Ein Universum gegen die Frustrationsstarre
Wenn sich Dirk Günthör, Direktor Regionalmarkt der Stadtsparkasse Düsseldorf, die aktuelle Lage anschaut, spricht er gerne von der „Realzinsfalle 2.0“. Seit geraumer Zeit leben wir in einer Welt ohne Zinsen, doch blieb das Vermögen erhalten, solange auch die Inflationsrate quasi bei Null verharrte. Doch nun ziehen die Preise an, die Steigerungsrate könnte in diesem Jahr etwa 1,5 Prozent erreichen, prognostizieren Marktbeobachter.
Damit wird das Thema Zinsfalle wieder akut, warnt Günthör: „Selbst bei einer solch geringen Inflationsrate droht Anlegern eine schleichende Vermögenserosion, wenn die Zinsen auf nahezu Null verharren.“Dass sich daran etwas ändert, ist nicht abzusehen. Die Europäische Zentralbank, die mit ihren Maßnahmen das Zinsniveau beeinflusst, hält wohl mindestens bis Jahresende an der ultralockeren Geldpolitik fest. Eine Zinswende halten viele Marktstrategen vor 2018/19 kaum für wahrscheinlich. Selbst wenn sie käme, würden die Zinsen aber nur langsam steigen.
Viele Anleger hat dies nach Beobachtung des Anlageexperten der Stadtsparkasse Düsseldorf in eine „Frustrationsstarre“versetzt. Ihr Geld legen sie nach wie vor lieber auf Tages-, Festgeldoder Sparkonten an und ak- zeptieren damit quasi eine Null-Verzinsung. Auf der anderen Seite fürchten sie Engagements in Aktien – die Risiken der Kursschwankung sind ihnen zu hoch. Dabei gebe es ein „Anlageuniversum dazwischen“, betont Günthör, „man kann Renditen oberhalb der Inflationsrate erwirtschaften, ohne zu hohe Risiken einzugehen“.
Bevor der Experte verrät, was alles in diesem Universum zu finden ist, betont er die Notwendigkeit, sich zunächst die eigene Situation bewusst zu machen – am besten in einer guten und umfassenden Beratung. Denn Anleger müssen erst einmal einen Überblick über Lage und Möglichkeiten bekommen. „Anlageerfolg resultiert aus verschiedenen Faktoren“, gibt Günthör zu bedenken. Immer geht es um eine Mischung, eine Verteilung von Risiken und Anlagen gemäß unterschiedlicher Ziele.
Dazu gehört eine Analyse der Vermögenssituation, den Lebensumständen (Alter, Beruf, Familie) und den Anlagezielen, dann auch der eigenen Risikobereitschaft. Eine diesen Rahmenbedingungen angepasste Anlagestrategie berücksichtigt auch unterschiedliche Zeithorizonte – längerfristige Anlagen für den Vermögensaufbau und die Vorsorge, Investments mit kurzen Laufzeiten für Unvorhergesehenes oder kurzfristige Ausgabepläne. Zudem gilt es, eine „Mischung aus den richtigen und für den Anleger passenden Anlageklassen“zu finden.
Und hier kommt das Anlageuniversum ins Spiel. Einen Teil des Vermögens sollte man für die genannten KurzfristNotwendigkeiten und zur Basisabsicherung liquide anlegen, also möglichst schnell verfügbar haben (zum Beispiel Tagesgeldkonto). „Für den Vermögensaufbau empfiehlt sich dann ein Sparplan“, rät der Ex- perte. Denn mit regelmäßigen, zeitlich verteilten Einstiegen in die Investments verringert man Käufe zu hohen Preisen, kauft aber mehr, wenn die Kurse niedriger sind. „Jeder Anleger kann auf diese Weise sein Vermögen bewusst weiter ausbauen und damit auch gezielt weitere Altersvorsorge betreiben“, so Günthör.
Bei den Anlageklassen könne man mit Zertifikaten und gut gemanagten aktiven Fonds über der Inflationsrate liegende Renditen bei begrenzten Risiken erwirtschaften. Günthör nennt als Beispiel ein ExpressZertifikat auf den europäischen Aktienindex EuroStoxx mit einem Sicherheitspuffer von 65 Prozent und einer jährlichen Verzinsung von gut zwei Prozent bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Sicherheitspuffer bedeutet, dass der Index bis zu einer Schwelle von 65 Prozent fallen kann, ohne dass der Anleger Verluste macht. Wer zu höherem Risiko bereit ist, kann bei einem Puffer von 50 Prozent aktuell über drei Prozent Rendite erwirtschaften. Bei Aktienfonds rät Günthör zu solchen, die auf Unternehmen mit guten Dividenden, also Gewinnauszahlungen, setzen. Bei Fonds sorgt die breite Streuung auf viele Aktien für eine Verteilung der Risiken.
Ein weiterer wichtiger Baustein sei die Immobilie, sagt der Anlagespezialist, sowohl die eigengenutzte Immobilie als auch die Immobilie als Geldanlage. „Hier bieten offene Immobilienfonds eine gute Anlagemöglichkeit bei begrenztem Risiko, jedoch auch Einschränkung bei der Veräußerung“, sagt Günthör.
Risikobewusste und erfahrene Anleger können auch eine Anlage in Einzelaktien tätigen. Hier rät der Anlageexperte zu einem längeren Anlagehorizont und zu soliden Einzelwerten. Ganz wichtig sei, angesichts der globalen Verunsicherungen „keine nervösen Schnellhandlungen“zu machen, warnt Günthör. Panik sei kein guter Ratgeber. Aber „das Schlimmste ist, gar nichts zu tun. Denn dann verliert man definitiv“, so der Experte.
Keine Zinsen für Geldanlagen, Risiken bei anderen Investments – viele Anleger reagieren wie das Kaninchen vor der Schlange und tun nichts. Genau die falsche Strategie, sagen Anlageexperten. Und verweisen auf ein Anlageuniversum als Alternative.
Niedrigzins und steigende Inflation haben viele Anleger
in eine „Frustrationsstarre“versetzt.