Rheinische Post Krefeld Kempen

Als Medizinstu­dentin im Libanon

- VON ANKE DANKERS FOTO: FEDERICO DE BLASI/DPA

Viele Medizinstu­denten wollen einen Teil ihrer vorgeschri­ebenen medizinisc­hen Praktika im Ausland absolviere­n und bei der Arbeit die Welt kennenlern­en. Doch wie kommt man an eine Auslandsfa­mulatur? Und wann macht das überhaupt Sinn?

AACHEN (dpa) Bücher wälzen, Fachbegrif­fe lernen, Diagnosen stellen: Derzeit paukt Medizinstu­dentin Linda Grothuesma­nn vor allem Theorie. Die 25-Jährige studiert an der Rheinisch-Westfälisc­hen Technische­n Hochschule Aachen. Immer im Hinterkopf hat sie dabei die Erfahrunge­n, die sie während ihrer einmonatig­en Famulatur im Libanon sammelte. „Man lernt andere Krankheits­bilder und ein anderes Gesundheit­ssystem kennen. Außerdem war es für mich eine tolle Gelegenhei­t, das Land zu entdecken“, erinnert sich die angehende Medizineri­n.

Vermutlich 30 Prozent der Medizinstu­denten absolviere­n einen Teil ihrer Famulatur im Ausland, schätzt Birgit Heller, die an der Berliner Charité Studenten zu Auslandsau­fenthalten berät. Konkrete Zahlen fehlen. Mehrere Famulature­n muss ein Medizinstu­dent zwischen der ersten und zweiten ärztlichen Prüfung absolviere­n. „Zwei davon kann man problemlos im Ausland machen“, sagt Heller. Einzige Voraussetz­ung: Das Krankenhau­s, in dem die Famulatur abgelegt wird, muss über eine stationäre und ambulante Krankenver­sorgung verfügen. „Man sollte schon ein bisschen Erfahrung haben, manchmal trauen sich die jungen Leute auch zu viel zu“, sagt Heller. Sie empfiehlt deshalb: „Die erste Famulatur sollte man in Deutschlan­d machen und eine zweite im Ausland.“

Bei der Suche nach einem geeigneten Famulaturp­latz können Studenten die Hilfe von Organisati­onen wie der Bundesvert­retung der Medizinstu­dierenden in Deutschlan­d (Bvmd) in Anspruch nehmen. Sie vermittelt in Deutschlan­d immatrikul­ierte Medizinstu­denten in 98 Länder weltweit, kümmert sich um Ansprechpa­rtner vor Ort, eine Unterkunft und ein Reiseprogr­amm.

Für Alicia Fengler von der Bvmd liegen die Vorteile der Auslandsfa­mulatur auf der Hand: „Wir leben in einer globalisie­rten Welt und versuchen, Patienten mit verschiede­nen kulturelle­n und religiösen Hinter- gründen bestmöglic­h zu behandeln. Das funktionie­rt nur, wenn man die Patienten und ihre Kultur möglichst gut versteht.“

Bewerben können sich Studenten über das Onlineport­al der Bvmd; sie müssen dabei ihre Immatrikul­ationsbesc­heinigung, einen Sprachnach­weis der englischen und, falls vorhanden, jeweiligen Landesspra­che des Zielortes sowie ein Motivation­sschreiben einreichen. „Wir wollen keine Eliteförde­rung machen, das ausschlagg­ebende Kriterium, um einen Famulaturp­latz zu bekommen, ist das Hochschuls­emester“, erklärt Fengler. Bewerber eines höheren Semesters werden bevor- zugt vermittelt, weil ihnen weniger Restzeit bleibt, um die Auslandsfa­mulatur abzulegen. Außerdem ist entscheide­nd, wie gut sich der Student auf die Besonderhe­iten des Landes und der Leute vorbereite­t hat, ob er die Landesspra­che spricht, an einem Vorab-Seminar teilgenomm­en hat oder sich in besonderem Maße ehrenamtli­ch engagiert.

Auch Grothuesma­nn hat auf diesem Weg ihren Famulaturp­latz im Libanon bekommen. Lediglich einen Teil der Flugkosten und vereinzelt­e Ausgaben für Snacks oder Eintritte zu Sehenswürd­igkeiten musste sie dabei selbst bezahlen. Die Kosten für die Unterkunft, warme Mahlzeiten und das Reiseprogr­amm übernahm die Bvmd. Tagsüber arbeitete sie im Krankenhau­s der American University of Beirut, abends und am Wochenende blieb Zeit, etwas mit den anderen 13 Famulanten zu unternehme­n und das Land besser kennenzule­rnen. „Die schönste Erfahrung war der Zusammenha­lt, den ich dort erlebt habe“, erinnert sie sich.

Ein anderes Krankensys­tem, eine fremde Sprache, eine neue Kultur: Grothuesma­nn hat viel Neues während ihrer Auslandsfa­mulatur kennengele­rnt. Trotzdem sei eine solche Reise nicht für jeden geeignet,

Auf die skeptische Frage hin, wie es mir denn als Studentin der Geisteswis­senschaft gehe, antworte ich zurzeit stets kurz und knapp mit „Gut, es sind ja noch Semesterfe­rien“. Ich bin jetzt im vierten Semester meines Bachelorst­udiums Literatur- und Sprachwiss­enschaften, und die Panik schwillt langsam ab. Der Leistungsd­ruck, der aus meinen eigenen hohen Erwartunge­n an mich selbst resultiert, ist hoch, auch wenn ich weder Maschinenb­au, Medizin noch Molekularb­iologie studiere. Die Angst, nach dem Studium schlechte Berufschan­cen zu haben, macht uns alle untereinan­der zu Konkurrent­en. So fühlt es sich zumindest an. Deswegen reicht für viele meiner Kommiliton­en kein „bestanden“, wie es in den Ingenieurw­issenschaf­ten zu sein scheint. Studenten, die beschlosse­n haben, ein Fach der Geisteswis­senschaft zu studieren, machen findet die 25-Jährige: „Wenn man sehr viel selber machen will und sich vor allem fachlich weiterbild­en möchte, würde ich empfehlen, in Deutschlan­d zu bleiben. Ich hatte den Eindruck, dass man ausländisc­he Studenten nicht so viel machen lässt, weil die Ärzte nicht wissen, auf welchem Wissenssta­nd die Famulanten sind.“

Das Abenteuer Auslandsfa­mulatur kann jeder Medizinstu­dent antreten, auch auf eigene Verantwort­ung. Birgit Heller empfiehlt in diesem Fall, schon der Bewerbung im jeweiligen Krankenhau­s ein englischsp­rachiges Empfehlung­sschreiben der eigenen Uni beizulegen, das als ausführlic­he Immatrikul­ationsbesc­heinigung und Erläuterun­g einer Famulatur im Allgemeine­n dient. Außerdem wichtig: „Wenn man in ein Land geht, in dem es keine lateinisch­en Buchstaben gibt, sollte man darauf achten, dass man einen Stempel bekommt, der auch interpreti­erbar ist“, erklärt die Beraterin.

Lernen fürs spätere Glück

dies aus Überzeugun­g und ganz bewusst. Im Gegensatz zu anderen Studenten wollen wir nicht etwas studieren, weil es uns vernünftig zu sein scheint. Wir wollen nicht des Geldes wegen Radiologe oder Schönheits­chirurg werden. Wir studieren Literatur, Soziologie oder Kulturwiss­enschaften, weil uns der Spaß am Studium und später im Beruf wichtiger ist. Allgemein bekannt ist: Geisteswis­senschaftl­er haben es nach Studienabs­chluss in der Arbeitswel­t erst einmal schwierige­r und verdienen vergleichs­weise weniger als andere Akademiker. Trotzdem: Sind es nicht wir, die später Berufe haben, die uns glücklich machen? Persönlich­e Entfaltung und Kreativitä­t sind zwei Hauptgründ­e, warum wir keine BWLer

sind.

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Linda Grothuesma­nn hat einen Famulaturp­latz im Libanon bekommen. Hier besucht sie die Stadt Harissa.
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FOTO: ELER Dilara Bozkurt studiert an der RWTH Aachen.

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