Rheinische Post Krefeld Kempen

Ende der Dominanz?

- VON PATRICK SCHERER

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Carlo Ancelotti klatschte und sang vergnügt. Der in der Regel so bierernst dreinblick­ende Bayern-Trainer feierte gelöst im Kreis seiner Spieler die deutsche Fußballmei­sterschaft. Die 27. für die Münchener insgesamt, die fünfte in Serie – beides ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Die Bayern waren nach dem entscheide­nden 6:0 in Wolfsburg am viertletzt­en Spieltag dann auch darauf bedacht, diesen Erfolg durch gute Laune entspreche­nd zu würdigen. „Das ist nichts Normales, das ist schon etwas Außergewöh­nliches“, sagte Karl-Heinz Rummenigge und gab an, „nicht den arroganten Anspruch zu haben“, jedes Jahr das Triple zu gewinnen.

Es ist nur logisch, dass der Vorstandsc­hef bemüht ist, die Spielzeit in ein möglichst positives Licht zu rücken. Denn das Halbfinal-Aus im Pokal und das Viertelfin­al-Aus in der Champions League schmerzen. Die Stacheln sitzen tief und werden das Handeln der Verantwort­lichen im Sommer maßgeblich mitbestimm­en. Dabei steht die Frage im Raum, ob die Bayern während der bevorstehe­nden Umbruchpha­se etwas von ihrer Dominanz einbüßen werden.

Rummenigge hat bereits angekündig­t, dass Ancelotti eine zweite Chance bekommen wird, die Trophäensa­mmlung auch in der Kategorie internatio­nal zu erweitern. Für diese Mission bekommt der Italiener wohl einen neuen Sportdirek­tor zur Seite gestellt, der sich direkt beweisen muss. „Xabi Alonso und ich hören auf, da fallen zwei Alte weg“, sagte Philipp Lahm nach seinem letzten Meistersch­aftsgewinn. „Es wird aber keinen großen Knall geben. Es werden dann vielleicht ein, zwei oder drei Spieler dazu geholt werden.“Lahm erklärte aber auch: „Irgendwann muss ein Umbruch kommen.“Dieser Umbruch wird die nächsten beiden Sommertran­sferperiod­en bestimmen.

Den Nachfolger für Alonso haben die Bayern in Joshua Kimmich (22) bereits in den eigenen Reihen. Anders sieht es bei Lahm aus. Für den wohl besten Rechtsvert­eidiger der Welt muss noch Ersatz gefunden werden. Rafinha ist der perfekte Backup – mehr aber nicht. Ansonsten liegt der Fokus aber vielmehr auf einer Aufwertung der Offensive. Ar- jen Robben (33) und Franck Ribéry (34) verkörpern internatio­nales Format auf höchstem Niveau. Ihr Karriereen­de steht bevor. Talent Kingsley Coman (20) wird zugetraut, in die Rolle eines Weltklasse-Außenspiel­ers hineinzuwa­chsen, bei Douglas Costa (26) darf dies getrost bezweifelt werden. Was zudem fehlt, ist eine adäquate Sturmspitz­e, die einspringt, wenn Robert Lewandowsk­i pausieren muss. Ancelotti hat erkennen müssen, dass Thomas Müller diese Rolle nicht ausfüllen kann. Müllers Position ist die hängende Spitze in einem 4-2-3-1.

Wie bei Lahm oder Alonso wird der FCB für Robben und Ribéry kei- ne Ablösesumm­en mehr bekommen. Das gut gefüllte Festgeldko­nto wird herhalten müssen, um Nachfolger zu verpflicht­en. Auch, weil in der eigenen Jugend derzeit kein neuer Lahm, Müller oder David Alaba zu finden ist. Zwar wurde die U 19 seit längerer Zeit mal wieder Süddeutsch­er Meister. Talente, die den riesigen Sprung in den Profikader schaffen können, sind aber nicht in Sicht. Mit den Profis trainiert bereits der 18-jährige Fabian Benko. Der offensive Mittelfeld­spieler wird aber über das Ausleihmod­ell zunächst Spielpraxi­s bei einem Konkurrent­en sammeln müssen. Es wird spannend zu beobachten sein, ob die Münchener im Sommer dann auch eher gestandene Hochkaräte­r oder doch vermehrt hoffnungsv­olle Talente zukaufen werden.

Diese Vielzahl an Baustellen sorgen in der Liga für die leise Hoffnung , dass die große Lücke zum Rekordmeis­ter zumindest etwas kleiner wird. Nicht nur Ex-Bayern-Spieler Dietmar Hamann sagt den Münchenern schwierige Zeiten voraus. „Ich glaube, dass die Bayern in den nächsten drei, vier Jahren große Probleme bekommen werden“, sagte Hamann bei Sky. In den nächsten fünf Jahren sehe er „mit Sicherheit einen, wenn nicht zwei oder drei andere Meister als die Bayern.“

 ?? FOTO: DPA ?? Titeltanz: Die Bayern-Spieler feiern nach dem 6:0 in Wolfsburg auf dem Rasen mit passendem T-Shirt die fünfte Meistersch­aft in Folge.
FOTO: DPA Titeltanz: Die Bayern-Spieler feiern nach dem 6:0 in Wolfsburg auf dem Rasen mit passendem T-Shirt die fünfte Meistersch­aft in Folge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany