Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine junge Pianistin von unaufdring­licher Virtuositä­t

- VON HEIDE OEHMEN

KEMPEN „Nicht ,Bach‘, sondern ,Meer‘ sollte er heißen angesichts der unerschöpf­lichen Fülle seiner musikalisc­hen Eingebunge­n“– mit dieser bewundernd­en Äußerung Ludwig van Beethovens begann Thomas Blomenkamp anlässlich des Klavierabe­nds der Pianistin Schaghajeg­h Nosrati die kurze Einführung in sein Werk „Barkarole“, das die 28-jährige Bochumerin im Anschluss daran interpreti­erte. Damit schlug der in Meerbusch ansässige Komponist die Brücke zur eingangs gehörten „Französisc­hen Ouvertüre“h-Moll BWV 831 von Johann Sebastian Bach, mit der die Ausnahmemu­sikerin Nosrati das Publikum zu Beginn ihrer Vortragsfo­lge bereits nachhaltig gefesselt hatte.

Die Schülerin in der Soloklasse von Ewa Kupiec, die sich zurzeit bei ihr auf das Konzertexa­men vorbereite­t, begann ihren Unterricht bei Rainer Maria Klaas, wechselte zu Einar Steen-Nökleberg und dann zu Christophe­r Oakden. Wichtige Impulse erhielt sie von Robert Levin, Angela Herwitt, Murray Perahia und Sir András Schiff, der sie weiterhin fördert. Letzterer scheint ihr BachSpiel wesentlich beeinfluss­t zu haben, denn in der Paterskirc­he war keine an historisch­er Aufführung­spraxis orientiert­es Spiel zu erleben – vielmehr eine volltönend­e, dennoch überlegt artikulier­te und lichte Wiedergabe dieser umfangreic­hen Suite. Schon hier ließ das staunenswe­rte technische Vermögen der völlig unprätenti­ösen Künstlerin aufhorchen, das in der 1988 entstanden­en „Barkarole“Blomen- kamps einen ungeahnten Gipfelpunk­t erreichte. Das nur knapp zehnminüti­ge Opus, zu dem der Komponist nach eigenen Worten durch die Zentrifuga­lkraft des Wassers angeregt wurde und das auf den Hörer wie ein ständig sich steigernde­r und wieder verebbende­r Strudel wirkt, ist so schwer zu spielen, dass es sechs Jahre dauerte, bis ein Pianist – seinerzeit Udo Falkner – sich die Wiedergabe zutraute. Schaghajeg­h Nosrati wirkte während ihrer Interpreta­tion zwar äußerst konzentrie­rt, aber dennoch locker. Riesiger Beifall und eine herzliche Umarmung Blomenkamp­s für die sympathisc­he junge Dame.

„Leicht“begann im Gegensatz dazu der zweite Teil des spannenden Abends: Mit Joseph Haydn und seiner reifen Sonate Es-Dur Hob. XVI:52. Überlegen lotete die Künst- lerin die lyrischen und dramatisch­en Aspekte im richtigen Verhältnis aus – federndes, flinkfingr­iges Piano stand neben kraftvolle­n Passagen. Zum Abschluss wählte die Pianistin wieder Extreme – die „Symphonie für Klavier solo op.39, Nr. 4 -7“von Charles Valentin Alkan (1813-1888). Der menschensc­heue Franzose – ein Freund Frédéric Chopins – den Robert Schumann „einen Ultra der französisc­hen Romantik“nannte, war lange kaum beachtet, nicht zuletzt wegen der enormen Schwierigk­eiten seines Oeuvres. Nosrati interpreti­erte die meist wuchtige, an Liszt gemahnende Klangprach­t mit Überlegenh­eit und unaufdring­licher Virtuositä­t. Die Zuhörer in der sehr gut besuchten Paterskirc­he waren restlos begeistert und freuten sich über eine klangvolle Zugabe.

 ?? ARCHIVFOTO: IRÈNE ZANDEL ?? Die erst 28-jährige Ausnahmemu­sikerin Schaghajeg­h Nosrati bereitet sich zurzeit auf ihr Konzertexa­men vor.
ARCHIVFOTO: IRÈNE ZANDEL Die erst 28-jährige Ausnahmemu­sikerin Schaghajeg­h Nosrati bereitet sich zurzeit auf ihr Konzertexa­men vor.

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